Überfallopfer kritisiert Polizei

Ein offen schwul lebender Kölner, der in Ehrenfeld Opfer eines Raubüberfalls wurde, fühlt sich von Polizisten gedemütigt. Der Leiter der Wache weiß von nichts, will der Beschwerde aber nachgehen

Von Thomas Spolert

„Plötzlich fühlte ich mich nicht mehr als Opfer, sondern wie ein Täter behandelt“, empört sich Johannes D. noch Tage später. Der offen schwul lebende D. war am vorletzten Mittwoch mitten in der Nacht in Ehrenfeld von zwei Männern überfallen und beraubt worden. Die herbeigerufene Polizei stellte dem Überfallopfer aber nicht nur Fragen zum Tathergang. „Laufen Sie nachts immer fremden Männern hinterher?“, habe eine Beamtin den 43-Jährigen während des Verhörs auf offener Straße gefragt, sagt Johannes D.

Was genau sich an diesem Abend abspielte, klingt aus seinem Munde so: Johannes D., der als Koch in einem Ehrenfelder Café arbeitet, wollte nach seiner Arbeit einen Freund besuchen. Vor der Haustür des Freundes sprachen ihn zwei etwa 30 Jahre alte Männer an, die ihn in ihre Wohnung in die Körnerstraße einluden. Angeblich wartete sein Freund dort auf ihn. Da er einen der beiden Männer vom Sehen her kannte, glaubte er diese Geschichte. In der Körnerstraße angekommen, schlug plötzlich einer der zwei Männer auf ihn ein.

„Ich konnte aus der im Erdgeschoss liegenden Hinterhauswohnung fliehen“, erzählt D. weiter. Im Hof stürzte er. Mit Fußtritten attackierte der Täter sein Opfer erneut, entriss ihm dessen Rucksack und flüchtete in die Wohnung zurück. Ein Freund, der in demselben Café wie D. in der Körnerstraße arbeitet, hörte dessen Hilferufe und eilte herbei.

Respektloses Verhalten

Unterdessen hatten bereits Anwohner die Polizei alarmiert. Drei Streifenwagen mit sechs Beamten tauchten auf. „Ich stand unter Schock und mein Kreislauf war durcheinander“, skizziert D. die Umstände der nächtlichen Befragung. Mit der vom brutalen Überfall zerrissenen Kochjacke und Jeanshose stand er vor den jungen Polizisten. Die Beamten seien dreist und anmaßend im Ton gewesen.

„Laufen Sie nachts immer mit offener Hose herum“, habe ein Polizist ihn gefragt. Ständig hätten ihm die Beamten während des Verhörs mit einer Taschenlampe ins Gesicht geleuchtet und geblendet. Auf die Bitte, dies zu unterlassen, hätten die Polizisten nicht reagiert. „Ich fühlte mich genötigt und verlangte die Ausweise zu sehen“, erzählt er immer noch sichtlich erregt. Doch die Polizisten hätten sich geweigert, ihm diese zu zeigen. Stattdessen verlangten sie einen Alkoholtest, den D. ablehnte. Schließlich sei die Polizei, nachdem ihnen die Täter nicht die Wohnung geöffnet hätten, unverrichteter Dinge wieder abgezogen. Erst später auf der Ehrenfelder Polizeiwache habe D. noch in derselben Nacht mit viel Druck zumindest die Namen der Polizisten bekommen.

„Wie es zur Tat kam, ist doch völlig uninteressant“, kritisiert D. die Grundhaltung der Ehrenfelder Polizisten. Der Raubüberfall sei das, worum sich die Polizei zu kümmern habe. Er erwarte als Opfer einer Straftat einen respektvollen Umgang. In Portugal, wo er jahrelang gelebt habe, sei er auch einmal überfallen worden. Dort sei die Polizei sehr weltoffen, freundlich und hilfsbereit gewesen. „Die Kölner Beamten haben sich wie Sheriffs aufgeführt und bürgerliche Rechte außer Acht gelassen“, empört sich D..

Keine Polizeifortbildung

Der Leiter der Ehrenfelder Polizeiwache, Klaus Grützemann, weiß von alledem nichts: „Ich bin völlig ahnungslos“, sagt er auf Nachfrage der taz. Er habe aber ein großes Interesse, der Beschwerde nachzugehen und den Sachverhalt aufzuklären. Grundsätzlich heiße er ein solches Verhalten von Polizisten nicht gut. „Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, hätte das natürlich disziplinarische Konsequenzen“, erklärt Hauptkommissar Grützemann. Das Thema Schwule sei bei der Kölner Polizei kein Problem. „Die Toleranz dafür ist da“, so der Dienststellenleiter.

Auch Christiane Kirsch, Ansprechpartnerin für gleichgeschlechtliche Lebensweisen bei der Kölner Polizei, hat noch nichts von dem Vorfall gehört. „Es hat auch in jüngster Zeit keine derartigen Beschwerden gegeben“, so Kirsch. Aber schwarze Schafe gebe es immer mal wieder. Sie werde dem Hinweis nachgehen und die Kollegen in Ehrenfeld darauf ansprechen.

„Bisher haben wir immer positive Rückmeldungen von Überfallopfern bekommen“, zeigt sich Frank Pohl vom Schwulen Überfalltelefon überrascht von dem Geschehen in Ehrenfeld. Die Kölner Polizei hätte sich in der jüngsten Vergangenheit sachlich, freundlich und korrekt verhalten. Er räumte jedoch ein, dass es in den letzten drei Jahren keine Polizeifortbildung mehr zum Thema „Antischwule Gewalt“ gegeben habe. Dies könne sich natürlich negativ auswirken. D.s Anwältin rät ihrem Mandanten, juristisch gegen die Polizeibeamten vorzugehen.