Wer hat ein Foto von Allah?

Die Schauspielerin und Buchautorin Renan Demirkan ist Schirmherrin der alljährlich stattfindenden Interkulturellen Wochen in Osnabrück und übt Kritik an der interkulturellen Terminologie. 70 Veranstaltungen finden bis zum 31. Oktober statt

Sie ist Schirmherrin der Interkulturellen Wochen in Osnabrück, aber den Begriff „interkulturell“ findet sie problematisch. Renan Demirkan erklärt in ihrer Eröffnungsrede zu dem zweimonatigen Veranstaltungsreigen: „Das klingt so, als gäbe es für Migranten eine Sonderlebensabteilung, eine exterritoriale Kulturgemeinschaft oder eine Art interkulturelle Quarantäne.“

Der Begriff sei ein hilfloser Versuch, Gemeinschaft zu formulieren, wo wirkliche Gemeinschaft fehle. Ziel müsse ein kultiviertes, wissendes Miteinander sein, sagt die 49-Jährige. „Dazu gehört natürlich auch, dass der Dazukommende von sich erzählt, sich sichtbar macht.“ Der Alteingesessene solle zuhören – und nicht alles gleich mit dem eigenen Wertekanon abgleichen.

Demirkan geht mit gutem Beispiel voran – und erzählt von sich. Von einem kleinen anatolischen Mädchen. In ihrem Theaterabend berichtet sie von der Suche des Kindes nach Gott. Es fragt sich, wie wohl der da oben, also Allah, aussähe. „Zeig mir doch ein Foto“, fordert das Mädchen seinen Großvater auf. Als Antwort erhält sie nur ein „Das geht nicht“.

So endet das „kurze Tête-à-tête mit einer außerirdischen Macht“, wie Demirkan formuliert. Die religiöse Liebe führt an diesem Abend nirgendwo hin. Macht aber das Interkulturelle des Theaterstücks deutlich: Eine türkischstämmige Schriftstellerin beschreibt die universelle Geschichte der Sinnsuche am Beispiel einer Kultur, bei der keine Bilder des Gottes oder seiner Inkarnation existieren.

Als die Schirmherrin längst abgereist ist, geht die Suche nach dem Wissen über fremde Kulturen weiter – so, wie es Demirkan fordert. Eingeladen war zu einer „Interreligiösen Stadtrundfahrt“. Acht Menschen fahren mit – zu zwei christlichen Kirchen. Dann geht es zur Moschee an der Frankenstraße. Dort darf die Reisegruppe beim Nachmittagsgebet dabei sein, natürlich dem der Männer. Weiter im Angebot: Rabbi Marc Stern lädt zu einem öffentlichen Schabbatgottesdienst in seine Synagoge ein. Und die Aleviten stellen ihre Variante des Islams vor.

Was aber hat ein Auftritt der pseudo-italienischen Musikgruppe Ombre di Luci im Veranstaltungskalender der Interkulturellen Wochen zu suchen? Schließlich spielen die ständig in der Region. Ein Beispiel für krampfhafte Ausweitung des interkulturellen Veranstaltungskalenders.

Wozu auch das 1. Internationale Graslöwen Kinderumweltfest der Bundesstiftung Umwelt gehört, die ihren Sitz in Osnabrück hat. Allzu schnell werden anscheinend die Begriffe international und interkulturell in einen Topf geworfen. Ähnlich seltsam mutet auch die interkulturelle Eingemeindung des Unabhängigen FilmFests in das 70 Angebote umfassende Programmheft an.

Deutlicher in die Welt von Migranten stößt dagegen die Ausstellung Línea de Horizonte vor. Auf Fotos wird die tödliche Überfahrt der Flüchtlinge aus Nordafrika nach Spanien dokumentiert. Drei spanische Maler reflektieren darüber hinaus in ihren Gemälden die Sichtweisen, die Afrikaner von Europa haben: vornehmlich den hoffnungsvollen Blick auf das gelobte Land. Umgekehrt ist für Europa das fremde Afrika mit seinen Flüchtlingen eine Bedrohung.

Heiko Ostendorf

Infos: www.osnabrueck.de