am nebenpool belauscht von TANIA KIBERMANIS
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Der Großteil unserer Reisekosten wird wohl in das Koks der Animateure umgesetzt worden sein. Cluburlaub. All inclusive. Mir nur einer Unterhose und ohne Zahnbürste kann man erst vollständig erfahren, was echte Freiheit bedeutet. Die Koffer sind weg, wir sitzen wegen des schaukelnden Charterflugs mit vollgekotzter Kleidung auf der Terrasse.

Hier regiert das ostdeutsche Wellfleisch. Kevins und Justins werden in ihre überdimensionierten, knallbunten Schwimmhilfen geprügelt, und morgens um sieben Uhr okkupieren Handtücher mit „I love Mallorca“-Aufdruck die Pool-Liegen wie einst Hitler das Sudetenland.

Das Hotel hat auch schon bessere Zeiten gesehen – zumindest intaktere. Zum Service gehört eine originelle Begrüßungsanimation in Form einer tellergroßen Kakerlake, die uns beim Betreten des Zimmers schwanzwedelnd entgegenhüpft.

Beim Mittagessen platzieren sich die uniformierten Animateure am Nachbartisch. Wenn uns die Tischnachbarn in tief schwäbischem Dialekt fragen, was wir denn beruflich so machen, dann sagen wir ihnen, wir sind Pornodarsteller. Schnell kehrt Ruhe ein.

Am Büfett fährt man rechts vor links, es herrscht deutsche Ordnung – ein feste Burg im Land des unzivilisierten Spaniers. Wenn ich mir eine doppelte Portion Sahnesoße nachlade, werde ich von allen Übergrößen im Raum gehasst. Ein herrliches Gefühl. Man möchte ja gern dazugehören – nur nicht hier.

Zur Bauch-Beine-Po-Wassergymnastik dröhnt DJ Ötzi aus allen Rohren, und dicke Kinder klatschen im Takt dazu. Am Pool halte ich meine Minititten, bei denen jedes Päderastenherz höher hüpfen würde, in die Sonne, dann setze ich mein arrogantestes Gesicht auf und asche genüsslich ins Kinderbecken. Neben uns am Kinderpool starrt ein geröstetes Grillhähnchen mit sehniger Lederhaut den Zehnjährigen in den Schritt und nippt dabei an seiner abgestandenen Sangria.

Behaarte Kniekehlen sind hier ein gern gesehenes Phänomen. Deren Kinder werden sich ihr Leben lang Rauhaardackel anschaffen, um sich an die glücklichen Zeiten ihrer Kindheit erinnert zu fühlen. Am liebsten sehe ich den Mann, der beim Baden Socken trägt. Dazu ein Mützchen mit Nackenschutz, für das sich sogar mein dreijähriger Sohn inzwischen zu erwachsen fühlt. Die Gattin verwechselt wohl den Aufenthalt am Planschbecken mit einer gynäkologischen Untersuchung. Ihr Tangahöschen lässt sowohl vorn als auch hinten weder anatomische noch dermatologische Fragen offen.

Neben mir springt ein Hundert-Kilo-Schlachtschwein mit dreckverkrustetem Rücken in den Pool. Zur Siegerehrung der besten Mit-dem-Knie-Münze-in-das-Glas-Werfer ertönt eine Fantasiehymne, und alle Beteiligten halten ihren Daumen mit abgespreiztem kleinem Finger an die Stirn. In Spanien heißt das: Ich ficke deine Frau, du Idiot. Aber das scheint niemand zu wissen. Die einzigen Spanier drehen pikiert den Kopf weg.

Endlich kommen unsere Koffer. Die resozialisierte Prostituierte hinter der Rezeption wünscht uns nuschelnd viel Glück, dass auch alles noch drin ist. Dann können wir ja endlich unbesorgt abreisen.