Gewerkschaften im Konkurrenzkampf

General Motors will ein Werk schließen – entweder in Schweden oder in Rüsselsheim. Jetzt geht es Saab gegen Opel

STOCKHOLM taz ■ „Es wird kein Wettrennen zwischen den Gewerkschaften geben, um Arbeitsplätze zu retten.“ Das verkündete Göran Johnsson, Vorsitzender der schwedischen Metallarbeitergewerkschaft am Wochenende. Seine Gewerkschaft werde den von General Motors ausgerufenen Länderkampf zwischen Schweden und Deutschland, zwischen Trollhättan und Rüsselsheim, in Form von Lohndumping und Arbeitszeitverlängerung nicht mitmachen. „Das werde ich auch unseren Kollegen von der deutschen IG Metall klar machen. Und ich gehe davon aus, dass sie die gleiche Einstellung haben.“

Vor Ort hört es sich ein wenig anders an. „Natürlich werden wir kämpfen“, sagt der stellvertretende Saab-Betriebsratsvorsitzende Chresten Nielsen. „Auch wenn es hässlich ist, Betriebe und Menschen so gegeneinander zu stellen.“ Es sei betriebswirtschaftlich verständlich, wenn GM die Produktion der auf gleichen Plattformen konzipierten Modelle Opel Vectra und Saab 9-3 an einem Standort zusammenlegen wolle. Nun gelte es, für jede Fabrik Pluspunkte zu sammeln. In Schweden seien die Kosten 40 Prozent niedriger als in Deutschland, aber viermal so hoch wie in Polen, sagt der Saab-Vorstandsvorsitzende Peter Augustsson. Um mithalten zu können, müsse sich das Personal auf Samstagsarbeit einstellen und die Bänder müssten schneller laufen: Der Takt müsse von jetzt 40 auf 60 Autos pro Stunde steigen. Gewünscht seien auch kurzfristige Überstunden und eine variable, auch mal 50 Stunden lange Wochenarbeitszeit. Der jetzt übliche Krankenstand müsse sich halbieren.

Für Trollhättan mit seinen 50.000 EinwohnerInnen geht es nach den Worten der lokalen sozialdemokratischen Parlamentsabgeordneten Britt Bohlin Olsson „um Leben oder Tod“. Würden die 6.000 Arbeitsplätze bei Saab verschwinden, hätte dies Rückwirkungen auf Zehntausende Beschäftigte und Folgen für ganz Westschweden. Mache Saab dicht, werde dies auch Konsequenzen für Volvo haben. Denn die Autobauer haben dieselben Zulieferer.

Das weiß man auch in Stockholm. Die Autoindustrie steht für 15 Prozent des schwedischen Exports. Wirtschaftsminister Leif Pagrotsky schaute bereits im Frühjahr in Detroit vorbei, als es erste Signale seitens GM dafür gab, dass die Saab-Produktion in Schweden keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Dort bekam er ein Lob für die schwedischen Lohnkosten und die um 3 bis 4 Stunden längere Arbeitswoche als in Deutschland. Das sind zugleich Richtwerte, was GM von deutschen Gewerkschaftern an Zugeständnissen erwartet.

Ist alles sowieso nur ein abgekartetes Spiel? Sind die Würfel für Rüsselsheim gefallen und sollen mit der angeblichen Trumpfkarte Trollhättan die deutschen Gewerkschaften nur zu weiteren Zugeständnissen gepresst werden? Dafür spricht, dass die schwedische Saab-Fabrik kräftig ausgebaut werden müsste, um die angepeilte Produktion von jährlich 300.000 Pkws liefern zu können. Eine Kapazität, die in Rüsselsheim vorhanden ist.

Dagegen steht eigentlich nur die Unsicherheit, ob die treue Saab-Gemeinde bei der Stange bleibt, wenn das „Made in Sweden“ wegfällt. GM hat Milliarden in dieses Markenzeichen gesteckt. REINHARD WOLFF