Die Angst vor neuen Schuldenrekorden

Eichel muss 2004 vielleicht so viele Schulden machen wie noch kein Minister vor ihm. Haushalt 2005 soll solide sein

BERLIN taz ■ Gegen Psychologie kann die Logik nichts ausrichten. Wenn Finanzminister Hans Eichel (SPD) in diesem Jahr weniger als 49 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen müsste, wäre sein Ergebnis besser als der Minusrekord seines Vorgängers Theo Waigel (CSU) aus dem Jahre 1996. Der hatte zwar nur 40 Milliarden Euro Schulden gemacht. Doch seitdem hat das Geld dank Inflation beständig an Wert verloren. So lässt es das Finanzministerium verbreiten. Zu Recht – und in böser Vorahnung: Denn vermutlich wird Eichel in diesem Jahr deutlich mehr als 40 Milliarden Euro brauchen, um den Haushalt auszugleichen.

Doch der Verweis auf die Logik wird ihm nichts nützen. Schon vor einem Jahr kürte die Presse Hans Eichel zum Rekordschuldenmacher, als er kurzfristig von 43 Milliarden Defizit im Haushalt 2003 ausgehen musste – am Ende war es dann doch weniger. In diesem Jahr wollte der Bund mit knapp 30 Milliarden Euro Schulden auskommen und spekulierte dabei auf 3 Prozent mehr Steuereinnahmen. Tatsächlich werden es wohl 2,2 Prozent weniger sein als im Vorjahr. Und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schätzt die nötige Neuverschuldung am Ende des Jahres auf 46 Milliarden Euro. Dann stünde Eichel als größter Schuldenmacher am Pranger. Die Stunde der Wahrheit kommt mit der Steuerschätzung im November.

Rot-Grün wird alles daransetzen, wenigstens für 2005 einen soliden Haushalt vorzulegen – damit muss man schließlich in den Wahlkampf ziehen. Ein großzügiger Verkauf von Aktien der Telekom und der Post soll das ermöglichen. Außerdem sollen russische Schuldentitel an Private verkauft werden. Rund 15 Milliarden Euro sollen die Privatisierungen erbringen – eine stolze Summe, wenn man bedenkt, dass nur 22,8 Milliarden für Investitionen eingeplant sind.

Heute wird sich der Bundestag erstmals mit Eichels Entwurf für 2005 befassen. Und sicher wird die Opposition wieder kritisieren, dass die Investitionen weiter zurückgegangen sind: 2004 wurden immerhin noch 24,6 Milliarden investiert. Der Rückgang beruht vor allem auf weniger Schienenneubau (minus 750 Millionen Euro), die aus der Koch-Steinbrück-Liste zum Subventionsabbau resultieren.

Es sind vor allem die Investitionen, die in den Jahren der Sparpakete zusammengestrichen wurden, klagt der DIW-Haushaltsexperte Dieter Vesper. Investitionen würden viel stärker „als Manövriermasse angesehen“ als andere Posten. Das aber schwäche das Wachstum.

Für Rot-Grün ist der Haushalt 2005 zwar einfacher, weil die anziehende Konjunktur mehr Menschen in Arbeit bringen dürfte. Dafür kann Eichel aber nicht mehr behaupten, das „gesamtwirtschaftliche Gleichgewichts“ sei gestört. Damit ist die Neuverschuldung 2005 strikt auf die Höhe der Investitionen begrenzt. Lohnzurückhaltung, gestrichene Weihnachtsgelder, weitere Steuersenkung sowie die schwache Binnenkonjunktur (die anders als Exporte auch Mehrwertsteuer einbringt) – all das muss Eichel erst einmal verdauen. Deshalb hat er sein Kabinett bereits aufgefordert, die Mehrkosten von 2,2 Milliarden Euro für Hartz IV durch „echte Einsparungen“ zu finanzieren.

MATTHIAS URBACH