nebensachen aus kairo
: Die Polizei kämpft mal wieder gegen das Verkehrschaos

Neulich auf dem Weg zum Golf von Suez: Eher gelangweilt fahre ich die einspurige Wüstenlandstraße entlang, als am Horizont ein schwarzer Punkt auftaucht. Als der sich mit rasender Geschwindigkeit nähert, entpuppt er sich als zwei parallel fahrende Lastwagen, deren Fahrer sich die Fahrt mit einem privaten Rennen versüßen. Mein Aufblinken und anhaltendes Hupen interessiert sie nicht. Ich reiße das Steuer herum und bugsiere das Auto wenige Sekunden vor dem vermeintlichen Aufprall über den Straßenrand in den Sand. Alltag auf Ägyptens Straßen. Mit jährlich 7.300 Verkehrstoten und einer aus Unfällen resultierenden Schadenshöhe, die etwa 3 Prozent des Bruttosozialproduktes entspricht, zählt Ägypten weltweit zu den Spitzenreitern.

Deshalb holt der Staat im Schnitt einmal im Jahrzehnt seine Peitsche in Form einer neuen Straßenverkehrsordnung heraus. Neulich war es wieder so weit. Es sollte den Verkehrssündern so richtig wehtun. Und tatsächlich kennt inzwischen jeder jemanden im entfernten Bekanntenkreis, der seither schon einmal mit Handschellen abgeführt wurde, weil er als Geisterfahrer in einer Einbahnstraße erwischt wurde. Bei nächtlichem Fahren ohne Licht droht ein sechsmonatiger Führerscheinentzug. Bei Parken in der zweiten Reihe muss die Fahrlizenz für einen Monat abgegeben werden. Alles, was bisher unter normalem Fahrverhalten lief, soll nun drakonisch bestraft werden. Zumindest das mit den Handschellen hat erste Wirkung gezeigt. Da bevorzugen doch viele einen kleinen Umweg, anstatt in Eisen gelegt zu werden.

Europäische Verhältnisse herrschen deswegen noch lange nicht. Das mag auch daran liegen, dass es sich bei dem Gesetz auch um ein gigantisches Umverteilungsprogramm handelt: Weg aus den Taschen der Fahrer, hinein in die der korrupter Verkehrspolizisten. Kairos Taxifahrer berichten, dass sich das Bakschisch für eine ungestörte Weiterfahrt um ein Vielfaches erhöht hat, die Verhältnisse aber ansonsten beim Alten geblieben seien – abgesehen davon, dass der Verkehrsfluss nun durch abkassierende Beamte zum Stocken kommt. Zuvor waren laut Untersuchungen immerhin ein Drittel von Kairos Fahrbahnen stets von widerrechtlich geparkten Fahrzeugen besetzt. Nun sind die Straßen von Verkehrspolizisten blockiert, die mit offener Hand vor einem Fahrzeughalter stehen, der mit seinem falsch geparkten Gefährt die Fahrbahn verengt.

„Das allgemeine Fahrverhalten und eine korrupte Verwaltung stehen einer Veränderung entgegen. Wir brauchen kein neues Verkehrsgesetz, sondern das vorherige sollte erst einmal durchgesetzt werden“, fasst der Kommentator Amr Schourbaschi das Drama zusammen.

Immerhin haben die Ägypter nun den dekorativen Charakter des Warndreiecks entdeckt, dessen Mitnahme jetzt Vorschrift ist. Wohl um erst gar nicht in einer Kontrolle danach gefragt zu werden, haben manche Taxifahrer das reflektierende Stück gut sichtbar an der Windschutzscheibe befestigt. Jetzt müssen sie nur noch aufpassen, dass sie dahinter nicht doch das ein oder andere Einbahnstraßenschild übersehen. KARIM EL-GAWHARY