„Verbrannte Erde“

Als Kommissar Palü gibt der Schauspieler Jochen Senf im „Tatort“ den wohl zweitbekanntesten Saarländer Deutschlands

taz: Herr Senf, die eigentlichen Gewinner der Landtagswahlen sind kleine Parteien. Ist das eine Mentalitätsfrage – kleines Land, kleine Parteien, kleine Politiker?

Jochen Senf: Ich glaube nicht, dass die FDP und die kleinen Parteien jemals eine große Rolle im Saarland spielten. Die Machtkonstellationen wurden immer zwischen den beiden großen Volksparteien ausgehandelt beziehungsweise zwischen den jeweils herrschenden Patriarchen.

Der Saarländer sehnt sich also nach Autorität?

Der Saarländer wählt vor allem einen überparteilichen Patriarchen, dem er vertraut, der ihn nach außen hin repräsentiert. Wähler und Patriarch gehen einen Vertrag ein: Er lässt uns mit allem in Ruh, wir gehen unseren Geschäften nach, und dafür darf er seine Kapriolen drehen. Oskar Lafontaine hat das trefflich vorexerziert. Und mit seinem Rücktritt hat er dieses Urvertrauen verletzt.

Oskar Lafontaine hat also die politische Kultur im Saarland versaut?

In gewisser Weise schon. Es ging weniger um Dialog als um Vasallentum. Er hat die SPD groß gemacht. Doch der Duodezfürst Oskar Lafontaine hat in all seiner Selbstherrlichkeit niemals Widersprüche geduldet. Nach seinem Rücktritt hat er verbrannte Erde hinterlassen. Die ganze SPD-Elite ist weg.

Ist es die Enttäuschung über den einen Großen, die die saarländischen Wähler jetzt zu den kleinen Parteien treibt?

Es ist nicht nur Enttäuschung. Die ganze SPD-Riege hat natürlich auch in großartiger Selbstüberschätzung gelebt. Die hielten sich für die größten und haben vergessen, was für ein kleines Bundesland das ist.

Wovon lässt sich der Saarländer überzeugen?

Die Saarländer haben seit Mitte des 19. Jahrhunderts immer wieder Machtwechsel erlebt und lechzen nach Identität. Sie brauchen nicht nur einen Ministerpräsidenten, sondern auch eine ganz starke Identifikationsfigur. Mein Vater war Finanzminister unter Franz Josef Röder. Röder war idealtypisch, der schwebte über allen, der war Landesvater. Und ein Vater, der die Kinder verlässt – das hinterlässt Wunden.

Dann ist es schwelender kindlicher Trotz wegen Lafontaines Abgang, der 4 Prozent der Saarländer, die NPD hat wählen lassen?

Die Leute sind Politikerverdrossen, sie sind Lafontaine- und Heiko-Maas-verdrossen. Weil die nichts anders anzubieten haben als Sprüche aus einer altlinken Klamottenkiste.

Sie als alter SPDler sind schwer enttäuscht von der Partei. Sehen Sie trotzdem noch Hoffnung?

Die SPD muss sich von alten Hüten und alten Männern verabschieden. Wer glaubt denn, dass Ottmar Schreiner noch irgendetwas ausrichtet. Diese Leute haben sich selbst aufgegeben. Ich empfinde gegenwärtig die SPD-Frauen, wie Andrea Nahles, als weitaus kompetenter.

INTERVIEW: ANNA LEHMANN