Das Ende der Abgehobenheit

Volksbegehren für ein faires Wahlrecht offenkundig erfolgreich abgeschlossen. Etwa 80.000 Unterschriften sind dem Wahlleiter übergeben worden. SPD lehnt die Vorstellungen der Initiative als zu kompliziert ab und setzt auf eigenes Modell

von KAI VON APPEN

Hamburg bekommt ein neues Wahlrecht – so oder so. Denn das Volksbegehren „Mehr Bürgerrechte – Ein neues Wahlrecht für Hamburg“ ist offenkundig erfolgreich abgeschlossen worden. Gestern Mittag übergaben kurz vor Fristende die Initiatoren Manfred Brandt und Angelika Gardiner von der Initiative „Mehr Demokratie“ Landeswahlleiter Herbert Neumann im Hamburger Rathaus „als letzte Lieferung“ weitere 1.700 Unterschriften. Damit ist das Quorum von knapp 61.000 UnterstützerInnen (siehe Kasten) um fast 20.000 überschritten worden.

Es ist das zweite Volksbegehren nach der gewerkschaftlichen Initiative „Gesundheit ist keine Ware“ gegen den geplanten Verkauf des Landesbetriebs Krankenhäuser, das in Hamburg wohl erfolgreich abgeschlossen werden konnte. 44.737 Unterschriften sind bereits vom Landeswahlamt als gültig anerkannt worden, weitere 33.000 liegen noch zur Prüfung vor. „Hinzu kommen noch rund 3.000 Eintragungen aus den Bezirksämtern“, sagt Brandt. „Es war eine große Anstrengung, es ist aber auch eine große Genugtuung,“ freut sich Gardiner.

Für beide ist der erfolgreiche Ausgang auch ein bundesweites Signal, „die Wahlrechte zu reformieren“, sagt Brandt. „Das Hamburger Volk begehrt zu entscheiden, wen und wie es wählt.“

Dabei haben die Initiatoren des Volksbegehrens durchaus Gegenwind gehabt. So hatten die Parteien SPD, CDU, FDP und Schill sich darauf geeinigt, einem möglichen Volksentscheid im Juni 2004 durch eine eigene Gesetzesinitiative zu begegnen und gehofft, das Volksbegehren zu Fall zu bringen. „Dabei wurde oft unter die Gürtellinie geschossen“, berichtet Brandt. So wurden Berichte in Medien lanciert, dass bayrische Punks als Drückerkolonnen eingesetzt werden. „Es ist ein altes beliebtes Mittel, wenn die Sachargumente verloren gehen, die Organisatoren zu diskreditieren.“

„Mehr Demokratie“ konnte allerdings auch auf prominente Unterstützung zählen. So gehören eingefleischte Sozialdemokrat wie der Ex-Wirtschaftssenator Helmut Kern und der frühere Chef des Rechnungshofes Herrmann Granzow ebenso zu den Verfechtern des vorgeschlagenen „Fünf-Stimmen-Modells“ wie Bischöfin Maria Jepsen, IG-Metall-Chef Frank Teichmüller oder der Verfassungsjurist Hans-Peter Bull. Kern sagte gestern an die Adresse seiner Genossen gerichtet: „Wer sagt, das ist für die Bürger zu schwierig, dafür seien sie zu dumm, verhöhnt die Bürger.“

Für Granzow stehen nun die Parteien nach dem Votum in der Pflicht, „ihre Abgehobenheit abzulegen“. Seit Jahren sei vergeblich über eine Änderung des Wahlrechts debattiert worden. „Es ist praktisch nichts passiert.“

Trotz einer verbalen Gratulation bleibt die SPD weiter bockig. Hamburg brauche ein neues Wahlrecht, betonte Fraktionschef Walter Zuckerer. „Das Wahlrecht muss aber klar und verständlich bleiben. Dafür steht unser Modell.“ Der verfassungspolitische Sprecher der GAL, Farid Müller, freute sich hingegen: „Die Hamburger haben ein deutliches Votum für mehr politische Mitsprache bei den Bürgerschaftswahlen abgegeben. Sie wollen mehr Macht für die Wähler und weniger für die Parteien.“