Köfferchenpädagogik

CDU-Fraktion will die Integrativen Regelschulen abschaffen und durch zehn zentrale Förderzentren ersetzen. Opposition ist entsetzt

In anderen Ländern haben Zentren die Zahl ausgesonderter Schuler erhöht

von KAIJA KUTTER

Wenn schon schwierige Themen, dann am besten gleich zwei an einem Tag, mag sich die CDU-Fraktion gedacht haben. Unmittelbar nachdem die Bildungssenatorin im Rathaus den Startschuss für die Schulplanung gab (Text rechts), kündigte der CDU-Abgeordnete Marcus Weinberg eine Etage höher das Ende für die 36 Integrativen Regelschulen (IR) in Hamburg an.

Diese sollen, so ergänzte die CDU-Politikerin und frühere Oberschulrätin Birgit Zeitler, schon „zur nächsten Anmelderunde“ keine ersten Klassen mehr einrichten. Stattdessen soll es zu einer „Umverteilung“ der Ressourcen kommen. Die 128 Sonderpädagogenstellen der IR-Klassen sollen zusammen mit rund 200 Stellen des Grundschulbereichs an Förder- und Sprachheilschulen sowie 30 Stellen der Rebus-Schulberatung einen Pool bilden, der zehn Sprachheilschulen zugeschlagen wird. „Wir fördern keine IR-Klassen mehr, wir fördern den Schüler“, erklärte Marcus Weinberg, der noch im September einen Antrag durch die Bürgerschaft bringen wird, in dem der Bildungsbehörde zehn „Eckpunkte“ vorgegeben werden.

Im Kern hat das Modell zwei Säulen. Mit Hilfe der Förderzentren soll nach einer Diagnose jedem Kind an jeder der 230 Grundschulen bei Bedarf ein Sonderpädagoge stundenweise zugeteilt werden. Sollte dies nicht reichen, sollen diese Kinder an den Sonderschulen „stationär“ beschult werden. Hier setzen die Kritiker an. Denn vergleichbare externe Zentren führten in anderen Ländern wie Bayern dazu, dass die Zahl der ausgesonderten Schüler rapide stieg.

„So lange es mit den Sonderschulen ein zweites Schulsystem gibt, wird dieses immer Ressourcen binden“, sagt Martin Eckart von der Elterninitiative „Leben mit Behinderung“. Hier werde ein Kompromiss versucht, ohne von den IR-Schulen zu lernen.

Und Rainer Kühlke, Schulleiter der IR-Schule Grumbrechtstraße, hält es für unerlässlich, dass die Sonderpädagogen in der Schule vor Ort integriert sind. „Diese Einbindung hat sich als fachlich sinnvoll erwiesen. Die Sonderpädagogen kriegen viel mehr mit über die Kinder.“ So aber bestehe die Gefahr einer „Köfferchenpädagogik“ von außen. „Zehn Zentren auf der grünen Wiese für über 230 Schulen sind absurd und für die Kinder nicht zu erreichen“, sagt auch SPD-Politikerin Britta Ernst, die von dem „Aus“ für ein bundesweit beachetes Modell spricht.

Die IR-Klassen waren bis 1999 Schulversuch und wurden von dem Wissenschaftler Karl-Dieter Schuck ausgewertet und als erfolgreich bezeichnet. Denn Schüler, die nicht ausgesondert werden, haben ein positiveres Selbstbild, was sich wiederum positiv auf die Schullaufbahn auswirkt.

Die frühere Schulamtsleiterin Ingeborg Knipper (CDU) hatte sich von diesen Argumenten überzeugen lassen und vor einem Jahr ein Konzept entworfen, in dem die Grundschulen zu Förderzentren werden. Sie hatte alle Ressourcen einschließlich der 433 Stellen für Sprach- und Leseförderung zusammengenommen und war zu dem Schluss gekommen, dass für jede Schule eine integrierte Förderung bezahlbar ist.

Doch in der CDU ist die Lobby der Sonderschullehrer groß. „Wir haben es vor über einem Jahr abgelehnt, weil wir es nicht wollten“, sagte Weinberg zum Knipper-Konzept. Mehr nicht.