berliner szenen Es gibt ihn wirklich

Autoradio inbegriffen

Die trostlos grauen Kuverts mit beiliegendem Rückumschlag kamen immer mal wieder: „Sehr geehrter Rundfunkteilnehmer …“ Doch fühlt man sich davon überhaupt angesprochen? Bei dem miserablen Empfang hier im Hinterhof? Ein komplizierter Sonderfall, den man bei Gelegenheit mal mit der GEZ diskutieren könnte, vielleicht nächste Woche. Und überhaupt: Woher haben die eigentlich meine Adresse?

Berlin ist die Hauptstadt der Schwarzseher. Doch die Stimmung hellt sich langsam auf. Genauer gesagt, seit letztem Montag. Da klingelte er, wie Gevatter Hein, nicht unerwartet, aber doch zur Unzeit. Ich liege auf dem Dielenboden, habe mir gerade ein Handtuch übers Gesicht gelegt, Migräneattacke. „Hier ist der RBB“, lügt der GEZ-Mann per Gegensprechanlage. „Warten Sie, ich komme runter.“ Dass ich nur zu Besuch bin, hätte ich sagen sollen. „Ich verdiene quasi nichts. Muss man dann auch zahlen?“, lege ich mir noch auf der Treppe zurecht, doch der Mann hat seine Agenda: „Ist das hier ihr Hauptwohnsitz?“

„Wissen Sie, mein Leben ist kompliziert: Ich bin mal hier, mal da“, stöhnt es zwischen meinen Schläfen. Meistens bei mir selbst zu Besuch. Und mit Kopfschmerzen ist mir diese ganze Welt ohnehin etwas zu grell. An Fernsehen nicht zu denken. „Ich verstehe“, sagt der Mann und zückt die Form mit dem dreifachen Durchschlag „Ihr Autoradio ist gleich inbegriffen.“ Ich habe kein Auto. „Ist trotzdem inbegriffen“, sagt er, „wenn Sie mal eins anschaffen.“

Zurück in der Wohnung wird sofort das Radio eingeschaltet. Schweigen auf allen Kanälen. Eindeutig, der Kasten hat seinen Geist aufgegeben. Man muss sofort widerrufen. Bei Gelegenheit, vielleicht nächste Woche.

JAN-HENDRIK WULF