Geist und Geld, eins wie Brüder

Am Montagabend stellte sich die neue Moses Mendelssohn Stiftung vor. Vorstand ist der Historiker Julius Schoeps. Das Kapital kommt vom Bruder Manfred, einer Schlüsselfigur des Bankenskandals

VON PHILIPP GESSLER

Wenn man lange genug auf das Gesicht schaut, offenbart es seine Schönheit: vor allem diese Stirn, die – ein Effekt des Dias an der Wand – strahlt: der Aufklärer Moses Mendelssohn (1729–1786). Dazu die Musik seines Enkels Felix Mendelssohn Bartholdy. Es könnte ein schöner Abend sein.

Aber etwas stört an diesem Montagabend, und vielleicht beginnt es schon damit, dass man als einer der ersten Personen hier im „Mövenpick“ am Anhalter Bahnhof Klaus Landowsky über den Weg läuft – dem über den Bankenskandal gestolperten CDU-Politiker. Die neu gegründete Moses Mendelssohn Stiftung wird vorgestellt, samt Reden, Musik und Empfang. Dabei irrt Klaus Landowsky – einst Chef der CDU-Fraktion und der BerlinHyp, einst Strippenzieher dieser Stadt – offenbar ziemlich allein mit seinem Teller zwischen den Stehtischen herum. Das hat etwas Befriedigendes. Und es sind doch auch gute Ziele, die die Stiftung hat! Was stört also?

Es ist das alte Problem, dass sich Geist und Geld selten vertragen, auch wenn Geist häufig von Geld abhängt. Weniger verschlüsselt: Der Historiker Julius Schoeps, Leiter des Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien in Potsdam, hat plötzlich sehr viel Geld in die Hand bekommen, um gute Werke zu tun. Das Problem ist nur, dass das Geld von einer Person kommt, die nicht mehr den besten Ruf hat, von seinem Bruder Manfred nämlich. Der war bis 2001 Geschäftsführer der Immobilientochter IBG der Berliner Bankgesellschaft (BGB) und gilt – wie Landowsky – als eine der Schlüsselfiguren im Berliner Bankenskandal.

Darüber aber wird an diesem Abend nicht gesprochen, nur getuschelt am Rande. Zunächst hält Reiner Nittka eine kurze Ansprache. Er ist Geschäftsführer der GBI mbH & Co KG. Das Unternehmen entwickelt und realisiert Hotel- und Apartmentprojekte. Deshalb redet Nittka vor allem über die Qualität seiner Bauten, zu denen das gastgebende Mövenpick-Hotel gehört. Die Stiftung kommt in seiner Ansprache so gut wie nicht vor. Dabei soll es doch um sie gehen.

Die GBI besorgt die Geschäfte für die Frankonia GmbH, die ebenfalls Immobilienprojekte entwickelt. Hier kommt Manfred Schoeps ins Spiel, der Anfang des Jahres bekannt gab, er wolle seine Firmengruppe Frankonia in eine gemeinnützige Stiftung umwandeln. Gesagt, getan. Jetzt ist die neu gegründete Moses Mendelssohn Stiftung mit einem Anteil von 98,8 Prozent Gesellschafterin der Frankonia GmbH. Vorstand der Stiftung ist Julius Schoeps – alles klar?

Auch wenn nicht – klar ist, dass es hier um viel Geld geht, von dem Schoeps jetzt profitiert. Schließlich hatte die Unternehmensgruppe Frankonia und GBI im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben einen Vertriebsumsatz von rund 58 Millionen Euro. Die Unternehmensbeteiligungen der Moses Mendelssohn Stiftung, heißt es in einer ausliegenden Broschüre der Stiftung, „werden ausschließlich und unmittelbar für gemeinnützige und satzungsgemäße Zwecke verwendet“. Julius Schoeps hatte schon am Samstag in der taz diese Konstruktion verteidigt: „Die Stiftung ist ein Projekt der Familie, das wir schon seit acht Jahren geplant haben. Bei dieser Stiftung bedient sich keiner. Alles ist ehrenamtlich.“

Dennoch, ein ungutes Gefühl bleibt, und es ist sicherlich kein Zufall, dass Julius Schoeps in seiner Rede über „Die Mendelssohns als Sammler, Kunstliebhaber und Mäzene“ an die Familientradition erinnert, nach der Geld und Geist unter den Ahnen von Manfred und ihm immer nahe beieinander waren. Schließlich sind die Brüder Nachkommen der Familien von Moses Mendelssohn, Felix Mendelssohn Bartholdy und einiger Berliner Bankiers, die als Mäzene aktiv waren. Sein Bruder und er wollten an diese „einstigen Familientraditionen anknüpfen“, sagt Julius Schoeps. Man fühle sich mit dieser Stiftung „den Ideen des großen ‚Weltweisen‘ verpflichtet“ und werde Projekte fördern, die der Aufklärung, Vernunft und Toleranz dienten.

Die Stiftung wird in Zukunft nach eigenen Angaben Studentenwohnheime bauen und betreiben. Laut Satzung wird sie auch die Moses Mendelssohn Akademie Halberstadt und das Moses Mendelssohn Zentrum in Potsdam besonders fördern. In Halberstadt ist Julius Schoeps Vorsitzender des Kuratoriums. Schoeps hält alle Fäden in der Hand. Es soll für einen guten Zweck sein. Landowsky hält derweil nur noch einen leeren Teller.