Brüssel lässt die Gensaat aufkeimen

Die EU-Kommission will heute festlegen, wie stark Saatgut mit fremden Genen aus dem Labor verunreinigt sein darf. Die Grenzwerte seien viel zu hoch, monieren nicht nur Umweltschützer. Die Landwirtschaft ohne Gentechnik stehe vor dem Aus

VON WOLFGANG LÖHR

Während sich in Europa immer mehr Landwirte regional zusammenschließen und gentechfreie Zonen ausrufen, plant die EU-Kommission eine Hintertür für die grüne Gentechnik zu öffnen. Auf der heute in Brüssel stattfindenden Sitzung will die EU-Kommission erstmals Grenzwerte für Gentech-Kontaminationen von Saatgut festlegen. Der von Umweltkommissarin Margot Wallström vorgelegte Entwurf sieht vor, dass Mais- und Raps-Saatgut bis zu 0,3 Prozent mit gentechnisch veränderten Sorten verunreinigt sein darf, ohne dass eine Kennzeichnung als Gentech-Produkt erfolgen muss.

„Dieser Grenzwert ist viel zu hoch“, sagt Benny Härlin von Save our Seeds“ (SOS). Die in Berlin ansässige internationale Initiative setzt sich seit längerem schon dafür ein, dass Saatgut grundsätzlich als Gentech-Ware zu kennzeichnen ist, wenn die Verunreinigungen oberhalb der technischen Nachweisgrenze von 0,1 Prozent liegen. Akzeptiert die EU-Kommission den Vorschlag von Wallström, so hieße das, dass „Milliarden von Gentech-Pflanzen im vermeintlich gentechfreien Anbau“ vermehrt würden“, warnt SOS.

„Das ist ein Angriff auf die Wahlfreiheit von Verbrauchern und Landwirten“, kritisiert die grüne Europaabgeordnete Hiltrud Breyer den Wallström-Vorschlag. „Selbst Ökobauern werden damit zwangsweise zu Gentech-Bauern“, so Breyer. Eine „Koexistenz“ von Gentech-Anbau und Gentech-freier Produktion wäre damit langfristig nicht mehr möglich.

Sollte die EU-Kommission den Wallström-Vorschlag heute billigen, muss er noch dem Ministerrat vorgelegt werden. Sollte dort keine qualifizierte Mehrheit zustande kommen – was zu erwarten ist –, kann die EU-Kommission alleine entscheiden.

Dies wird dann schon die neue EU-Kommission sein, die im November ihr Amt antritt. Federführend innerhalb der Kommission wird die Dänin Else Mariann Boel sein, die neue Agrarkommissarin. Und sie scheint auch der Anlass zu sein, warum die scheidende Kommission es jetzt plötzlich so eilig hat. Denn Boel hat sich in der Vergangenheit als dänische Agrarministerin für den 0,1-Prozent-Grenzwert stark gemacht.

Die scheidende EU-Kommission geht aber noch einen Schritt weiter, um noch einige Hindernisse für die grüne Gentechnik beiseite zu räumen. Auf ihrer Tagesordnung für heute steht auch die Aufnahme von insgesamt 17 gentechnisch veränderten Maissorten in den EU-Sortenkatalog. Diese Maissorten, die alle auf den von dem Biotechkonzern Monsanto entwickelten Mais Mon 810 zurückgehen, dürfen mit der Auflistung in den „Gemeinsamen Sortenkatalog“ in allen EU-Mitgliedsstaaten vertrieben und angebaut werden. Zwar dürfen die EU-Mitgliedsstaaten nationale Verbote verhängen, aber nur wenn nachvollziehbare Gründe dafür vorliegen. Das aber, so der BUND, sei für Deutschland sehr „unwahrscheinlich“. Denn der Monsanto-Mais werde schon hierzulande angebaut. Er wird bei den geheimen, von Sachsen-Anhalt initiierten Anbauversuchen genutzt.