Braune Ideen in der Mitte der Gesellschaft

Mit Sozialthemen gewinnt Sachsens NPD Unterstützer in allen Gesellschaftsschichten. Union fürchtet eher die PDS

DRESDEN taz ■ „In Flandern reitet der Tod“, dröhnt es im Marschtritt aus dem Lautsprecherwagen in einer Döbelner Seitenstraße. Hier haben NPD und „Junge Landsmannschaft Ostpreußen“ ihre Stände zum „Tag der Sachsen“ Anfang September aufgebaut. „Gestorben muss sein!“, klingen die Landser-Lieder weiter.

Die Jüngelchen und die reiferen Damen hinter den Theken sehen allerdings nicht so aus, als hätten sie große Sehnsucht nach einem Heldentod. Im Gegenteil. Nur 30 Meter entfernt wirbt ebenfalls in Frakturbuchstaben ein harmloses Ferienlager an einem Lausitzer See um Kinderkundschaft. „Ja, wir sympathisieren mit denen“, sagen die Betreiber dieses Standes über ihre nationalistischen Nachbarn.

Das ist ein Indiz dafür, wie braunes Gedankengut anscheinend unbemerkt in die Mitte der Gesellschaft vorrückt. Die Erfolge bei der sächsischen Kommunalwahl im Juni haben auch etwas mit bieder-bürgerlichen Handwerksmeistern und Kleinunternehmern zu tun, die plötzlich auf der Liste der DVU, NPD oder der „Republikaner“ auftauchten. Mit Sozialabbau, Lohndumping und Massenarbeitslosigkeit besetzt die NPD im Landtagswahlkampf dieselben frustrierenden Generalthemen wie die PDS.

Dort kommt es übel an, dass NPD-Spitzenkandidat Holger Apfel auch noch laut verkündet, inhaltlich mit der PDS die größten Gemeinsamkeiten zu sehen. Es ist Wasser auf die Mühlen der CDU, wenn Ministerpräsident Georg Milbradt „Extremisten von rechts und links“ als gemeinsame Aufwiegler bei den Montagsdemos bezeichnet.

An der Einbeziehung der PDS sind bislang alle Versuche gescheitert, eine gemeinsame Front gegen rechts aufzubauen oder zumindest mit einer gemeinsamen Erklärung ein Zeichen zu setzen. Zwar ist dies auf kommunaler Ebene möglich, beispielsweise in Dresden vor der Juniwahl und in den Kreistagen von Meißen und der Sächsischen Schweiz unter Mitwirkung der CDU. Auf Landesebene aber mauert die Union. PDS, SPD und Bündnisgrüne haben jeweils eigene Erklärungen vorgelegt. Die jüngste der Bündnisgrünen orientiert sich an der konsensfähigen Dresdner Fassung vor den Kommunalwahlen. Doch der CDU-Landesvorstand lehnte ab. „Wir sind deswegen kein Freund der NPD“, sagt Sprecher Ralph Schreiber. Auch die FDP sagte Nein. „Die Ressentiments gegen die PDS sind größer als die Sorge um einen Einzug der NPD in den Landtag“, stellt PDS-Landesvorsitzende Cornelia Ernst fest. Damit spiele man den Neonazis doch erst recht in die Hände.

Inzwischen scheint es nur noch eine Frage zu sein, in welcher Stärke die NPD in den Landtag einzieht. Eine Umfrage der Leipziger Volkszeitung vom 1. September sah sie bei 6 Prozent. Ministerpräsident Milbradt aber glaubt nicht an einen Sechsparteienlandtag, wie er derzeit möglich scheint. Er unterschätzt die Gefahr, dass schon eine NPD-Gruppe im Landtag ähnlich den fünf DVU-Abgeordneten in Brandenburg seine CDU die absolute Mehrheit kosten könnte. Generalsekretär Hermann Winkler sieht die PDS als den Hauptgegner an und blickt erst in zweiter Linie auf die Gefahr von rechts. Wirtschaftsminister Martin Gillo (CDU) warnte allerdings schon vor der abschreckenden Wirkung eines NPD-Erfolgs auf Investoren.

Am Donnerstag will der seit Jahren tagende „Runde Tisch gegen Gewalt“ im Dresdner Landtag noch einmal versuchen, Kräfte gegen rechts zu bündeln. Basis ist ein Handlungskonzept, das vom „Netzwerk ‚tolerantes sachsen‘“ erarbeitet wurde. Darin geht es um eine Mobilisierung der Bürgergesellschaft, um die Stärkung der Zivilcourage und einen weltoffenen Geist in Sachsen. MICHAEL BARTSCH