Heftige Gefechte in Sadr City

34 Personen wurden im Irak getötet. Sadr-Anhänger haben in Moscheen neue Waffenlager angelegt und fordern Abzug der US-Truppen aus dem Viertel

BAGDAD taz ■ Nur zehn Tage nach dem Waffenstillstand von Nadschaf sind zwischen den Amerikanern und der Mahdi-Miliz erneut schwere Gefechte ausgebrochen. Bei Kämpfen in der schiitischen Vorstadt von Bagdad, Sadr City, sind am Dienstag mindestens 34 Personen getötet und 193 verletzt worden. Die Auseinandersetzungen brachen aus, als in der Nacht eine amerikanische Patrouille mit Panzerfäusten angegriffen wurde. Bewohner aus den angrenzenden Vierteln berichteten von lauten Explosionen während der gesamten Nacht. Ein Sprecher des militanten Predigers Muktada al-Sadr beschuldigte die Amerikaner, das Viertel mit Helikoptern angegriffen zu haben.

Nach dem Waffenstillstand von Nadschaf war es auch in der Sadr-Hochburg im Norden von Bagdad relativ ruhig geworden. Für kurze Zeit waren sogar Gespräche zwischen der Interimsregierung von Ijad Allawi und Notablen aus dem Armenquartier geführt worden. Die Regierung hatte den Bewohnern Sonderhilfen in Höhe von über 163 Millionen Dollar in Aussicht gestellt. Allerdings beharrte Allawi auf einer vollständigen Demobilisierung der Miliz. Die Ankündigung Muktada al-Sadrs, künftig einen politischen Weg zu wählen, hatte vielerorts Hoffnungen auf eine dauerhafte Lösung des nunmehr seit Monaten andauernden Konflikts geweckt. Dass er seine Miliz aber weiterhin als Druckmittel beibehalten will, hatte sich bereits nach dem Abzug der Kämpfer aus der Pilgerstadt Nadschaf abgezeichnet. Dort hatten Amerikaner und die irakische Regierung notgedrungen einem faulen Kompromiss zugestimmt, der es den Milizionären erlaubte, samt ihren Waffen abzuziehen. Die aus Nadschaf nach Bagdad zurückgekehrten Kämpfer haben dann in Moscheen und Privathäusern neue Waffenlager angelegt.

In Gesprächen drohten die Sadr-Anhänger wiederholt mit einem Angriff auf die US-Truppen, sobald sich diese im Quartier blicken lassen sollten. Sie forderten einen völligen Rückzug der Amerikaner aus dem Elendsviertel. Auf diese Forderung können freilich weder die Regierung noch die Amerikaner eingehen, bedeutet sie doch nichts anderes als die Machtübergabe an die Milizionäre. Damit hätte die Regierung mitten in der Hauptstadt ein zweites Falludscha. Nach dem Waffenstillstand vom Frühsommer schalten und walten dort inzwischen islamistische Militante nach eigenem Gutdünken.

Mit Panzerfäusten und Mörsergranaten zogen am Dienstag Gruppen jugendlicher Sadr-Kämpfer durch Sadr City. Scharfschützen suchten hinter Häusern Deckung. An eine schnelle Aufgabe gegenüber der amerikanischen Übermacht denken sie offenbar nicht. „Viele mögen die amerikanische Armee für unbesiegbar halten“, ließ al-Sadr in einer am letzten Freitag verlesenen Predigt verkünden. Die Mahdi-Armee habe das Gegenteil bewiesen. INGA ROGG