frisches flimmern
: Zweimal Kirche und die DDR

Ein filmisches Gebet

“Predigen, ich mag das Wort nicht“, knurrt die frisch gebackene Pfarrerin Anna (Ann Eleonora Jørgensen) schon vor ihrem ersten Arbeitstag in einem dänischen Gefängnis. Trotzdem will sie den inhaftierten Frauen helfen. Die schweigsame und rätselhafte Kate (Trine Dyrholm) wurde gerade aus einer anderen Haftanstalt hierher verlegt. Bald kursieren die ersten Gerüchte, dass Kate übersinnliche Fähigkeiten besitzt. Für die Wärter sind das die üblichen Drogen-Psychosen. Doch dann erlöst sie eine Insassin von ihren Entzugserscheinungen und gerät ins Visier der einzigen Dealerin, die um ihre Geschäfte bangt. Auch Anna hört die Gespräche über angebliche Wunder, erfährt aber auch, dass Kate als Drogensüchtige ihr eigenes Baby verdursten ließ. Auf erste Kontaktversuche reagiert die schweigsame Kate zunächst abweisend. „Pass lieber auf deinen schwangeren Bauch auf“, rät sie der überraschten Seelsorgerin. Als Anna dann tatsächlich schwanger wird, gerät ihre Welt aus den Fugen. Bei einer Untersuchung erkennt ihr Arzt, dass das Kind möglicherweise behindert sein könnte. Soll sie das lang erwartete Kind nun abtreiben? Sie erinnert sich an Kates heilende Hände. Die dänische Filmemachrin Annette K. Olesen (“Kleine Missgeschicke“) nutzt in ihrem neuen Film „In deinen Händen“ die beschränkten Möglichkeiten des Dogma-Films, um ihre Geschichte über Gott, Schuld und Vergebung zu erzählen. In geradezu alltäglich erscheinenden Bildern zeigt sie ein gnadenloses Drama über existenzielle Fragen des Lebens.

Popper und Probleme

Sein Scheitel sitzt perfekt und sein Tennisarm ist unschlagbar. Die Mädchen umschwärmen ihn. Doch am liebsten drischt der 19-jährige Tim (Tobias Schenke) seine Filzbälle. Bei einem Schulausflug nach Kleinruppin in der DDR trifft der angehende Tennis-Profi Tim plötzlich seinen bisher unbekannten eineiigen Zwillingsbruder Ronnie (Tobias Schenke). Der streckt ihn mit einer Bierflasche nieder und fährt statt Tim zurück in den Westen. Der verwöhnte Schnulli sitzt nun im Osten fest und alle halten ihn für Ronnie. Er plant seine Flucht, doch die DDR verlässt man nicht so einfach. „Kleinruppin forever“ ist eine abstruse Teenie-Komödie. Der Film von Regisseur Carsten Fiebeler (“Die Datsche“) nutzt die aktuelle Ostalgie- und 80er-Jahre-Welle. Polohemden, FKK und einfältige Stasispitzel sind dankbare Klischees. Leander Hausmanns „Sonnenallee“ war vor Jahren bereits meilenweit besser.

Ehe im Zeitraffer

Eine italienische Hochzeit: Tommaso (Fabio Volo) und Stefania (Stefania Rocca) wollen in einer verträumten Land-Kirche heiraten. Die Gesellschaft wartet schon gespannt. Doch dann kommen dem jungen italienischen Priester Don Livio (Gennaro Nunziante) plötzlich Zweifel. Für den modernen Don Camillo scheint angesichts der heutzutage hohen Scheidungsquoten die familiäre Katastrophe vorprogrammiert. Er prognostiziert eine düstere Zukunft für das glückliche Paar und entwirft kurzerhand eine böse, fiktive Lebensgeschichte der Brautleute. Die Hochzeitsgesellschaft ist irritiert und empört. Erste Einwände werden laut. Doch es gibt noch eine Lösung und der Priester bittet die Gäste die Kirche zu verlassen. Der italienische Regisseur Alessandro D‘Alatri (“I giardini dell ‚Eden“) inszenierte seine episodenhafte Komödie „Casomai“ über die Bedeutung der Familie in der modernen Gesellschaft als emotionsgeladenes Drama. Ein schöner Film, der viele Scheidungsanwälte ins Grübeln bringen wird.

STEFAN ORTMANN