Rechte wider Willen

Mit vermeintlichen Wählerumfragen und Unterstützerlisten erschleichen sich NPD und Republikaner KandidatInnen für die Kommunalwahl

Ich wurde nur gefragt, ob ich Ansprechpartner der NPD werden will

VON NATALIE WIESMANN

Frank Hillmer ist unfreiwilliger Republikaner-Kandidat für den Stadtrat im sauerländischen Lüdenscheid. Auch sein Sohn Sascha, Bewerber für den Wahlbezirk 03, hatte niemals vor, am 26. September für die rechte Partei anzutreten. „Meine Mutter ist Türkin, ich stehe den Republikanern nicht einmal nahe“, beschwert sich Sascha Hillmer. Für seinen Vater gelte dasselbe. Vor ein paar Monaten sei ein älterer Herr vorbeigekommen unter dem Vorwand, Wahlumfragen durchzuführen. „Wir sollten eine Unterschrift für seinen Arbeitgeber leisten.“ Vater und Sohn beschwerten sich beim Wahlamt, dort ließ sich aber nichts mehr machen. Der Interviewer habe das Kleingedruckte: „Mit dieser Unterschrift erklären sie ihre Bereitschaft zur Kandidatur“ zugedeckt, erinnert sich Hillmer.

Die Hillmers sind nicht die Einzigen, die ohne ihre Einwilligung zu Kandidaten gemacht wurden. Waldemar Kaluza sei „voller Überzeugung“ für seine Partei, habe aber seine Kandidatur nie unterzeichnet. „Meine Frau hat Krebs und da rückt alles andere in den Hintergrund.“ Einzig und alleine Rentnerin Renate Bonenkamp weiß, wie sie auf der Rep-Liste gelandet ist: „Ich mach das schon seit einigen Jahren“.

Nicht nur die Republikaner scheinen aus lauter Kandidatenmangel krude Methoden anzuwenden: In Hattingen ist es die NPD, die unbedarfte Kandidaten auf die Liste zwingt. „Welche Kandidatur?“ fragt die Ehefrau von Petr Aneskin, NPD-Anwärter für den Wahlbezirk 22. Der Kandidat aus Kasachstan versteht schlecht Deutsch, macht aber eines klar: „Ich komme gerade aus dem Krankenhaus und habe damit nichts zu tun.“ Auch Rentner Franz Pilger versteht die Welt nicht mehr: „Ich wollte nie antreten“, sagt er, gibt aber gleichzeitig zu, Mitglied der rechten Partei zu sein. Er sei 85 Jahre alt und pflegebedürftig. „Irgendwann kamen zwei Männer und wollten eine Fotografie“.

Das müssen die WAZ -Journalisten gewesen sein, die die Kandidaten porträtieren wollten. Auch der 18-jährige NPD-Kandidat aus dem Wahlbezirk 2, Christian Daubertshäuser, war vom Besuch der Presse überrascht: Er und zwei seiner Freunde seien von einem Bekannten gefragt worden, ob sie nicht „Ansprechpartner“ der NPD werden wollte. Nur das hätte der Azubi unterschrieben, nie jedoch die Bereitschaft zur Kandidatur.

Der „Bekannte“, Nico Schiemann fühlt sich selbst als Betrogener. Es sei alles ein Missverständnis, das die „Annonce“ in der Zeitung aufgebaut hätte: „Ick habe sie alle ufjeklärt“, sagt der gebürtige Brandenburger. Es gebe aber jemanden in Hattingen, der die jungen Kandidaten gegen ihn aufhetzen würde. Nur deshalb würden sie nicht mehr zu ihrer Kandidatur stehen.

Die stellvertretende Wahlamtsleiterin aus Hattingen, Barbara Vogelschieber kennt aber noch zwei weitere KandidatInnen, die ahnungslos auf die Wahlzettel geraten sind. „Die dachten, sie kommen auf die Unterstützungsliste, dabei brauchen die Reps das gar nicht, sie sind ja schon im Stadtparlament vertreten.“

Dass so manch einer eine Wahlliste unterschreibt und dann doch Angst vor öffentlicher Stigmatisierung hat, habe es immer wieder vor Wahlen gegeben, sagt Alfred Schobert vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialwissenschaft, Kenner der rechten Szene. Doch eine solche Anhäufung von unfreiwilligen Ratsbewerbern sei noch nicht da gewesen. „Wenn sich die Rechten jetzt mit unlauteren Methoden Kandidaturen erschleichen, muss die Staatsanwaltschaft das strafrechtlich verfolgen“, sagt er.