Aldi-Art geht wie Brechbohnen

Zum ersten Mal verkaufte gestern ein Supermarkt moderne Kunst. Am Ende des Tages war die Kiste mit den Beckers und Vogts fast leer

Bremen taz ■ Mittwochmorgen, acht Uhr. Vor dem Aldi-Markt am Domshof bildet sich eine kleine Menschentraube. Endlich um halb neun werden die Türen geöffnet. Die Schnäppchen-Profis stürmen durch den Kassenbereich zu den Sonderangeboten. Ihr Ziel? Die „Lauf- und Walking-Jacke für Damen und Herren“ (9.99 Euro) und der „modisch-elegante Herren-Ledergürtel“ (6,99 Euro). Ein Herr dort hinten reißt den „Edelstahl-Wasserkocher“ (12.99 Euro) an sich, die Dame dort drüben die „herbstliche Dekoration“ (6,59 Euro).

Einsam steht eine Kiste unbeachtet zwischen Paletten mit Brechbohnen und Eiscafe: 26 „original handsignierte Kunstdrucke mit Holzbilderrahmen“ warten für den Schnäppchen-Preis von 12,99 Euro auf ihre KäuferInnen. Einige berühmte Künstler sind dabei, zum Beispiel Beuys-Schüler Michael Becker. Dann endlich, eine Frau – die Winter-Comfort-Clogs schon in der Hand – tritt an die Kiste heran, zieht einige Bilder heraus, betrachtet sie fachkundig, greift entschlossen zu. Und geht mit Clogs, handsigniertem Kunstdruck und H-Milch zur Kasse.

Beim Hauptbahnhof-Aldi – Einzugsgebiet Kunst-Schwachhausen – sieht es ähnlich aus. Warum prügelt sich kein Bildungsbürger um die Kunst? Aber auch ohne Gewalt war die Kiste am Ende des Tages dann doch fast leer. Die mit den Brechbohnen und die mit der Kunst. Die Norddeutschen hatten am Morgen wie immer mit der üblichen kühlen Zurückhaltung agiert. APS