Hamburger Szene: Sonntagsspiele
Sie standen verkleidet in der S-Bahn, zwei Mädchen, zwei Jungs. Es war Sonntagnachmittag, alle vier hatten ein Bier in der Hand, trugen Trikots mit Raute und hatten HSV-Schals um den Hals. Der Hamburger SV hatte ein Heimspiel gegen Cottbus, und weil den Vieren zu Cottbus nichts einfiel, unterhielten sie sich über die Streckenführung der S-Bahn. Denn Hamburgs S-Bahn steckt voller Überraschungen, zumal wenn man ungefähr 18 ist, aus dem Umland kommt und nur alle zwei Wochen zum Heimspiel des HSV fährt.
„Die fährt jetzt weiter über die Landungsbrücken bis Altona“, sagte einer der Jungs. „Sonst fährt die nach Pinneberg. Das ist, weil die gerade bauen.“ Das Mädchen schüttelte den Kopf. „Jetzt red’ nicht soviel Blödsinn“, sagte sie. „Sonst trete ich dir in deinen Schwanz.“ Sie schaute ihn angriffslustig an, er wurde rot. Auch die anderen drei schauten ihn an, warteten auf seine Reaktion. Er zog sein Bier vor die Brust und sagte: „Da musst Du aber erstmal treffen.“
Das Mädchen lachte auf. „Das“, sagte sie, „war jetzt ein Eigentor.“ Wäre er ein Fußballer, würde er jetzt getröstet werden und müsste kein Nachtreten befürchten. Aber er war kein Fußballer und starrte sie an – und sie trat nach: „Das war ein Eigentor“, sagte sie nochmal. „Checkst du es nicht?“
Später gewann der HSV mit 2 : 0, die Herren-Mannschaft wohlgemerkt. Dem mit der Bierdose mag es ein schwacher Trost gewesen sein: Die HSV-Damen verloren ihr Sonntagsspiel gegen Potsdam mit 1 : 3. KLAUS IRLER
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