Die Tragikomik der Geschichte

Bund gewinnt einen Prozess gegen den SED-Opfer-Verband „Arbeitsgemeinschaft 13. August“. Der muss nun seine Gedenktafeln zum Volksaufstand vom 17. Juni 1953 am Finanzministerium entfernen

VON PHILIPP GESSLER

Dr. Rainer Hildebrandt war nicht dabei. Das ging auch nicht, denn der Gründer und langjährige Leiter des Mauermuseums „Haus am Checkpoint Charlie“ ist Anfang des Jahres gestorben. Aber sein Name muss fallen, wenn es um das Museum und den dortigen SED-Opfer-Verband „Arbeitsgemeinschaft 13. August“ geht. Hildebrandts Witwe Alexandra beginnt auch heute noch jede Pressemitteilung und jeden zweiten Satz mit der Nennung ihres verstorbenen Mannes.

Gestern war es mal wieder so weit: Der Geist Hildebrandts wehte durch die Gänge des Landgerichts am Tegeler Weg. Und wie häufig, wenn SED-Opfer und Alexandra Hildebrandt vor Gericht ziehen, wird das Geschehen schnell zur tragikomischen Farce. Der Sachverhalt selbst war ziemlich schlicht. Die Arbeitsgemeinschaft hatte im vergangenen Jahr zum 50. Jahrestag des Volksaufstandes nach langen Verhandlungen mit Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) an dessen Ministerium entlang der Wilhelmstraße mächtige Fototafeln aufhängen dürfen. Die zeigen den Volksaufstand vom 17. Juni 1953, der an dieser Stelle einen wichtigen Kristallisationspunkt hatte.

Nach dem Ende der Gedenkfeiern im vergangenen Jahr hätte die „Arbeitsgemeinschaft“ die Tafeln laut Vertrag wieder abnehmen müssen – tat dies aber nicht. Die Begründung: Es gebe vor dem Ministerium zwar ein Denkmal, das an die Volkserhebung erinnere. Dies aber sei, als in den Boden eingelassene Fototafel, von Beobachtern kaum zu erkennen. Zudem werde es dominiert von dem stalinistisch-kitschigen Fries Max Lingners über das angeblich süße Leben in der DDR. Um die Abnahme der Fototafeln zu erzwingen, verklagte die Bundesrepublik Deutschland die „Arbeitsgemeinschaft“.

„Rein rechtlich gesehen kann Herr Eichel natürlich die Abnahme der Fototafeln fordern“, räumte die „Arbeitsgemeinschaft“ schon im Vorfeld ein – und vor Gericht versuchte ihr Rechtsanwalt erst gar nicht, die Richterin Sabine Linz zu überzeugen, dass die Abnahme der Tafeln rechtlich nicht geboten sei. Aber „de facto geht es hier um eine politische Auseinandersetzung“, betonte er, materiell könne seine Partei keine Einwände gegen die Entfernung der Großbilder erheben. Alexandra Hildebrandt, in knielangem schwarzem Witwenkostümchen erschienen, versuchte noch kurz, über die politische Dimension der Entscheidung zu sprechen – aber das verfing bei der Richterin nicht. Auch die einzige Hoffnung ihres Anwalts, das Gericht könnte sich als nicht zuständig einstufen, war nicht von Erfolg beschieden, wie schon während der Verhandlung absehbar war. Wenn nämlich der Streitwert unter 5.000 Euro festgelegt worden wäre, hätte das Verfahren an das Amtsgericht verwiesen werden müssen.

Der Rechtsanwalt des Bundes wollte dies auf keinen Fall. Zuerst bezifferte er den Streitwert auf 180.000 Euro – später ließ er sich gönnerhaft auf 100.000 Euro Streitwert herunterhandeln: „Ist mir völlig egal.“

Nach dem Mittagessen hatte Richterin Linz ihre Entscheidung getroffen: Der Bund obsiegte, die „Arbeitsgemeinschaft“ muss die Tafeln entfernen. Und zuständig sei das Gericht auch, denn der Streitwert liege bei 6.000 Euro. Die Prozesskosten muss die „Arbeitsgemeinschaft“ tragen. Eine teure PR-Aktion.