Diadochenkämpfer

Die Kinder des Gründers verlieren, der Konzern Gruner + Jahr gewinnt Einfluss auf die Geschicke des „Spiegels“ – zur Freude des Chefredakteurs

VON STEFFEN GRIMBERG

Wie haben es die amerikanischen Ölbarone doch bequem: Da folgt der Sohn dem Vater ins Geschäft mit dem schwarzen Gold, später vielleicht auch mal ins Amt des Präsidenten der US of A, und gut ist. Bei Medienunternehmen geht dynastisches Denken fast immer schief. Bei den Augsteins, zum Beispiel, also beim Spiegel.

Auch Rudolf Augsteins Kinder Franziska und Jakob sind Journalisten geworden, ihr wahres Erbe aber ist für die Katz: Bislang gehören ihnen als Nachkommen 25 Prozent der Spiegel-Anteile. Doch nun müssen sie das entscheidende Prozent verkaufen, so hatte es Rudolf Augstein lange vor seinem Tod vertraglich vereinbart. Das Bundeskartellamt erklärte nun den Verkauf für unbedenklich. Das Vetorecht der Erben, zum Beispiel bei Besetzung von Chefredaktion und Geschäftsführung, ist dahin.

Magazin-Gründer Augstein hatte in den Siebzigerjahren die Hälfte der Anteile am Spiegel den Mitarbeitern überschrieben, ein Viertel an den Großverlag Gruner + Jahr verkauft – und sich selbst mit den restlichen 25 Prozent begnügt, nebst lebenslanger Zusicherung, dass keine Entscheidung ohne seine Zustimmung gefällt werde. Nur so setzte Augstein 1994 gegen den Widerstand der Mitarbeiter Stefan Aust als Chefredakteur durch.

Regiert wird in Gütersloh

Jetzt soll jeweils ein halbes Prozent aus dem Augstein-Paket an die Mitarbeiter-KG bzw. G+J gehen. Weil zum Verlags-Konzern auch der Stern gehört, hatten die Augstein-Kinder auf Schützenhilfe der Wettbewerbshüter gehofft. Durch den Verkauf würde die zum Medienriesen Bertelsmann gehörende G+J den Markt der Magazine noch stärker dominieren. Er sei „überzeugt, dass es für die Unabhängigkeit des Spiegels sowie für die Medienvielfalt in Deutschland nicht gut ist, wenn ein Verlag die beiden großen Nachrichtenmagazine kontrolliert. Der Stern ist keine Illustrierte mehr, sondern gehört heute wie Spiegel und Focus zum Segment der aktuellen Wochenmagazine. Die drei Titel messen sich aneinander“, sagte Jakob Augstein im August der Welt am Sonntag. Unproblematisch, befand das Kartellamt: Zwar hätten jetzt nur noch zwei der drei Spiegel-Gesellschafter etwas zu sagen, die Marktmacht von G+J steige dadurch aber nicht.

Die Ein-Prozent-Klausel

Das ist vermutlich richtig – über den künftigen Einfluss beim Spiegel sagt eine solche formale Rechtsentscheidung aber wenig aus. Vor dem „Geist von Gütersloh“ warnte vor einer Woche der ehemalige Spiegel-Geschäftsführer Adolf Theobald im Tagesspiegel. Bertelsmann kenne „nur eins – alles uns“. Solche Zweifel waren zum Schluss wohl auch Rudolf Augstein selbst gekommen. In den letzten zwei Jahren seines Lebens versuchte er, zuletzt direkt bei Bertelsmann-Patriach Reinhard Mohn persönlich, die Ein-Prozent-Klausel wieder rückgängig zu machen. Doch Gütersloh blieb hart.

Denn auch Reinhard Mohn hat so seine ganz eigenen Ansichten, wenn es um die Dynastie-Frage geht. Seine Familie könne „auf die Dauer die Führung im Unternehmen nicht übernehmen“, sagte Mohn 2003 im Zeit-Interview. Lediglich zwei seiner Kinder, Brigitte und Christoph, sind im Weltunternehmen selbst tätig. Allerdings hat Mohn die Weichen so gestellt, dass seine Familie die entscheidende Macht bei Bertelsmann bleibt.

Die meisten großen deutschen Medienkonzerne sind Familienunternehmen – Nachfolgeprobleme inklusive. Axel Springers ältester Sohn, der Fotograf Axel Springer jr. (Pseudonym: Sven Simon), schied 1980 freiwillig aus dem Leben. Die Springer-Enkel Ariane und Axel-Sven streiten seit langem mit Verleger-Witwe Friede um mehr Einfluss im Konzern. Faktisch haben sie wenig zu sagen, obwohl Axel-Sven im Aufsichtsrat sitzt.

Geradezu enttäuscht von seinem Thomas war der ehemalige Filmpate Leo Kirch: Der habe nicht wirklich das Zeug, in seine Fußstapfen zu treten, berichten Kirch-Biografen über das Vater-Sohn-Verhältnis beim 2002 zerbröselten Medienimperium.

Keine Dynastie

Ob Franziska und Jakob Augstein das Zeug hätten, steht nicht zur Debatte. Sie arbeitet bei der Süddeutschen Zeitung, er war ebenfalls lange bei der SZ und ist heute geschäftsführender Gesellschafter beim Verlag Rogner & Bernhard in Berlin. Zumindest Jakob hat eine aktive Rolle beim Spiegel immer ausgeschlossen.

Dass ihr Einfluss beim Spiegel jetzt weiter schwindet, sorgt aber längst nicht nur für Zufriedenheit bei Bertelsmann. Auch Chefredakteur Stefan Aust gilt als erklärter Gegner der Augstein-Kinder. „So sehr, wie er Rudolf Augstein in allem den Rücken freigehalten hat, so vehement war er gegen den Einfluss der Erben“, sagt ein Aust-Vertrauter. Sein Vetrag als Chefredakteur steht im Dezember zur Verlängerung an.