Roman Herzog kommt teuer

Jetzt leidet die Union an Kommissionitis: Die Vorschläge der Reformarbeitsgruppe tun ihr weh

von HEIDE OESTREICH

„Schwierig, schwierig“. So hatte Roman Herzog die Arbeit seiner CDU-Kommission zur „Sozialen Sicherung“ schon während ihrer Arbeit genannt. Das Gremium, das vor allem aus Unionsmitgliedern bestand, sollte Alternativen für die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme formulieren.

Schwierig – genau diesen Eindruck vermittelte der ehemalige Bundespräsident Herzog auch gestern, als er versuchte, die Kommissionsergebnisse vorzutragen. Mit rotem Kopf musste er mehrmals bei Nachfragen passen: Um wie viel denn die Krankenversicherungsbeiträge steigen würden, wenn man einen Kapitalstock aufbaue, wollten die Frager wissen. Herzog wusste darauf keine Antwort. Schwierig.

Rot wurde Herzog vielleicht auch aus einem anderen Grund: Der Vorschlag seiner Kommission wird teuer für die Versicherten. Wenn die Krankenversicherung über sein „Prämienmodell“ finanziert würde, dann müsste jeder etwa 260 Euro einzahlen. Zwar soll Geringverdienern staatlich unter die Arme gegriffen werden, aber – und hier wurde Roman Herzog wiederum rot: Ohne Wachstumspolitik keine zusätzlichen Einnahmen für den Staat, ohne Einnahmen keine Subventionen für die Armen. „Wenn wir kein Wachstum schaffen, dann platzt das System.“

Lediglich die Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre, Herzogs Beitrag zum Thema Rentensicherung, sind nun schon alle gewohnt – so ähnlich hatte auch die Rürup-Kommission der Bundesregierung schon gerechnet. Der dickste Hund, den sich die Herzog-Kommission leistet, ist der Systemwechsel bei der Krankenversicherung. In seinem Gefolge soll auch die Pflegeversicherung privatisiert werden: Hier werden einige Jahre lang doppelte Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern eingefordert, damit ein Kapitalstock gebildet werden kann. Ab 2013 könnte dann auf eine Pflegeversicherung umgestellt werden – die der Versicherte allein trägt.

Arbeitgeber sind im Jahr 2030 dann nur noch mit 6,5 Prozent der Löhne an diesen Versicherungen beteiligt: 5,4 Prozent sollen sie an die Arbeitnehmer auszahlen, damit die allein vorsorgen, mit 1,1 Prozent sollen sie die Krankengeldversicherung finanzieren. Zusätzlich zu ihrer Krankenversicherung müssten die Arbeitnehmer noch ihre Zahnbehandlung allein versichern. Das dürfte noch einmal gut 25 Euro im Monat kosten. So rechnet der Arbeitnehmervertreter der CDU im Bundestag, Gerald Weiß.

Den Staat würde die Umstellung ebenfalls einiges kosten: Um soziale Härten bei den Prämien abzufedern und versicherungsfremde Leistungen wie das Mutterschaftsgeld zu finanzieren, müsste er im Jahr 2030 satte 43 Milliarden Euro extra aufbringen. Die einzige Lösung, die Roman Herzog dafür anzubieten hat, lautet: „Wachstumspolitik“.

Kein Wunder, dass die Arbeitnehmervertreter in der Union Sturm laufen: Sollte das Konzept unverändert am 6. Oktober in den CDU-Bundesvorstand kommen, werde er mit Nein stimmen, sagte der Vorsitzende des Unions-Arbeitnehmerflügels, Hermann-Josef Arentz. Er kritisierte insbesondere die geplante Entkoppelung der Beiträge zur Krankenversicherung von der Höhe der Löhne. Auch die Umstellung der Pflegeversicherung wäre für Geringverdiener zu teuer: „Das bedeutet, ein Rentnerehepaar zahlt 140 Euro im Monat Pflegeversicherungsbeitrag. Das halte ich nicht für darstellbar“, sagte Arentz, der selbst Mitglied der Kommission unter Leitung des ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog war.

Auch die CSU steht Herzogs Vorschlägen reserviert gegenüber. Nicht nur ihr Sozialexperte Horst Seehofer ist gegen ein Pauschalversicherungsmodell, wie Herzog es vorsieht. Er zieht eine Bürgerversicherung vor, wie sie die Regierung gerade diskutiert. Die CSU wird sich ohnehin erst Mitte Oktober zu einer Gesundheits-Klausur zurückziehen, um sich eine Meinung zu bilden. Auch Bürgerversicherungspapst Karl Lauterbach, der Berater von SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, ist eingeladen.