Tür an Tür mit dem Abschieber

Seit gestern hat die Innenbehörde die Verantwortung für das Flüchtlingsschiff „Bibby Altona“ von der Sozialbehörde übernommen. GAL und Flüchtlingsorganisationen sprechen von „Kasernierung“, die Behörde lieber von „Renovierung“

von PETER AHRENS

Bevor Ibrahim Ishneiwer nach Deutschland kam, hat er 18 Jahre lang Betreuungsarbeit in einem libanesischen Flüchtlingslager geleistet. Und er war überzeugt, dass „es eigentlich nicht schlimmer kommen kann“. Doch seit er für den Verein „Wohnschiffprojekt“ Flüchtlinge auf der „Bibby Altona“ am Fischmarkt betreut, sind ihm Zweifel daran gekommen: „Die Menschen sind hier noch isolierter und verunsicherter“, ist seine Erfahrung.

Und besser wird es wohl nicht werden: Seit gestern hat die Innenbehörde das Regiment über das Wohnschiff von der Sozialbehörde übernommen. Für die GAL-Flüchtlingspolitikerin Antje Möller ein klares Signal, „die Zugriffsmöglichkeiten auf die Menschen zu erhöhen“. Aus ihrer Sicht soll der Eindruck erweckt werden, dass „jeder Flüchtling ein potenzieller Straftäter ist“.

Aus seinem Herzen macht Innensenator Dirk Nockemann (Schill-Partei) auch keine Mördergrube: Mit der Zuständigkeit für die „Bibby Altona“, die zum zentralen Erstaufnahmelager in Hamburg ausgebaut wird, ist „insbesondere eine zügigere Bearbeitung sowie eine schnellere Rückführung von Ausländern ohne Aufenthaltsrecht möglich“. Der Senator ist überzeugt, dass „durch die Zusammenführung ausländerbehördlicher, leistungsrechtlicher und polizeilicher Aufgaben“ die Arbeit der Erstaufnahme erheblich erleichtert werde. Kontakte zu möglichen Schleppern könnten nun unterbunden werden, sagte er vor dem Haushaltsausschuss der Bürgerschaft am Dienstagabend. Auf das Schiff ziehen, wenn die entsprechenden Umbauten abgeschlossen sind, BeamtInnen des Landeskriminalamtes und der Ausländerbehörde.

Die Flüchtlinge – zurzeit sind gut 250 auf dem Schiff – stehen dann unter der Kuratel der Innenbehörde. Wenn sie das Schiff verlassen wollen, müssen sie ein Passierschein-Verfahren über sich ergehen lassen. Razzien in den Kabinen der Flüchtlinge, die offiziell bisher meist mit der Überprüfung des Kochverbots in den Zimmern begründet wurden, können nun leichter und schneller vollzogen werden.

Für den Verein „Wohnschiffprojekt“, der sich um die Kinder auf den Schiffen kümmert, mit ihnen malt, Sport treibt, tanzt und sie Deutsch lehrt, wird dadurch der Grundsatz der Unverletztlichkeit der Wohnung verletzt. Zudem haben sich schon jetzt die Taschenkontrollen bei den BewohnerInnen gehäuft. Möller spricht denn auch davon, dass die Flüchtlinge „kaserniert“ würden.

Ein Vorwurf, den sich Innenbehördensprecher Thomas Model nicht zu Eigen machen möchte. Für die BewohnerInnen ändere sich durch den Wechsel gar nichts, es handele sich um „eine reine Zuständigkeitssache“. Dass man nun mit dem „Behördenwirrwarr“ Schluss mache, komme gar den Flüchtlingen zugute, sagt er treuherzig: „Die werden jetzt nicht mehr von Pontius zu Pilatus geschickt.“ Zudem verweist er darauf, dass man die „Bibby Altona“ mit 430.000 Euro zur Zentralen Erstaufnahme umgebaut habe – Umbauten, von denen auch die BewohnerInnen profitierten: „Jetzt ist mal renoviert worden. Die Zustände sind besser geworden, da ist ja vorher jahrelang nichts passiert.“

Marily Stroux vom „Wohnschiffprojekt“ widerspricht: „Fast nichts hat sich verbessert.“ Das meiste Geld sei in die Ausgestaltung der Büroräume für die BehördenmitarbeiterInnen geflossen. „Einziger Zweck dieser Maßnahme ist“, bilanziert Möller, „die Flüchtlinge vom ersten Augenblick an bis zum Moment der Abschiebung unter Kontrolle zu halten.“