„Lasst uns lieber Kraft schöpfen“

Peter Strieder glaubt, dass erst die nächste Generation reif für den Schlossplatz ist. Doch vom schnellen Abriss des unschönen Palastes der Republik will er nicht lassen – und er denkt auch, dass er noch irgendeinen Bau auf dem Gelände erleben wird

„Der gesamte Schlossplatz leidet unter dem Palast der Republik“

Interview PHILIPP GESSLER

taz: Die Arbeitsgruppe Schlossareal votierte in ihrem Abschlussbericht für ein zweijähriges Moratorium bei der Neubebauung des Schlossplatzes. Die Sache wird also auf die lange Bank geschoben. Das kann Sie nicht freuen als Bausenator.

Peter Strieder: Bevor man sich aus finanziellen Gründen von der städtebaulich äußerst attraktiven Nutzung des Schlossareals für die Sammlung außereuropäischer Kulturen verabschiedet, halte ich ein Offenhalten auch für die beste Lösung. Für mich ist es viel wichtiger, dass die gestrige Sitzung der Arbeitsgruppe Schlossareal noch einmal verdeutlicht hat, dass an der von der Internationalen Expertenkommission vorgeschlagenen und vom Deutschen Bundestag beschlossenen überwiegend öffentlichen Nutzung des Schlossareals festgehalten wird.

Welche Konsequenzen hat der Beschluss für Berlin?

Da die Arbeitsgruppe auch den baldmöglichsten Abriss des Palastes der Republik vorschlägt, werden wir uns jetzt auf die Zwischennutzung des Areals vorbereiten. Der Schlossplatz in seiner jetzigen Erscheinung macht weder dem besonderen Ort noch seiner Funktion als Entree in die historische Innenstadt viel Ehre. Eine Grüngestaltung analog zum Lustgarten kann den Platz mit einem relativ bescheidenen finanziellem Aufwand deutlich in seiner Attraktivität steigern.

Ist das nicht eine zu einfache oder langweilige Lösung?

Aus städtebaulich und architektonischer Sicht verlangt der Ort nach einer Bebauung. Das ist unbestritten. Wenn für diese Bauaufgabe jetzt das Geld nicht da ist, dann macht es keinen Sinn, irgendetwas zu bauen, nur weil es finanzierbar wäre. Lasst uns lieber Kraft schöpfen, um dann die große Bauaufgabe zu bewältigen. Bis dahin ist die Grüngestaltung des Platzes, sozusagen die Erweiterung des Lustgartens, eine vernünftige Alternative.

Sie waren immer gegen eine Zwischenlösung des „Palastes“. Warum? Der Andrang bei Veranstaltungen dort zeigt doch, dass es da Bedarf gibt.

Ich war immer für eine gewisse Frist, innerhalb derer die Inszenierung des Abschieds vom Palast der Republik stattfinden kann. Die wird während der Planungsphase für den Abriss gewährt. Ich bin dagegen, dieses Gebäude mit der blinden Fassade und den vielen Sperrholzplatten an dieser wichtigen Stelle in der Stadt einfach stehen zu lassen. Da niemand die Fassade in Ordnung bringen wird, macht es auch keinen Sinn, diesen Bau in seinem gegenwärtigen ruinösen Zustand stehen zu lassen

Aber er wird doch genutzt, und es gibt Bedarf: Warum soll man ihn nicht stehen lassen? Über die Ästhetik des Baus kann man wirklich streiten.

Das hat doch nun wirklich nichts mehr mit der Ästhetik der DDR-Architektur zu tun. Der nach der Asbestbeseitigung innen völlig ausgehöhlte Bau hat auch in seiner äußeren Erscheinung schwer gelitten. Viele Fassadenplatten sind kaputt. Die Fenster sind stumpf, der gesamte Bau verschmutzt. Das strahlt auf den öffentlichen Raum aus. Der gesamte Schlossplatz leidet darunter. Da es nur die Alternative gibt, ihn so zu lassen, wie er ist – also die Fassade nicht in Ordnung zu bringen –, oder ihn abzureißen, dann ist der Abriss vernünftig und die dann hier entstehende Grünanlage die beste Lösung für das Stadtbild.

Werden Sie es noch erleben, dass dort ein Schloss steht?

Ob es ein Schloss sein wird, das weiß ich nicht. Aber dass der Schlossplatz bebaut werden wird – mit einem hohen Anteil an öffentlicher Nutzung –, das werde ich sicher erleben.

„Hoher Anteil an öffentlicher Nutzung“ – das klingt doch nach Abrücken von der ursprünglichen Linie.

Nein, es war schon immer so, dass auch bei der Planung für das Humboldt-Forum eine gewisse kommerzielle Nutzung dazugehörte. Museumsshops, Restaurants und möglicherweise ein Kino zur Problematik dieses Museums, also kein Cinemaxx – all das ist vorstellbar. Jedoch wird diese Art der kommerziellen Nutzung nicht einen Großteil der Finanzierung des Schlossplatzes oder dieses neuen Gebäudes tragen können. Insofern muss der Bundestag entscheiden. Das Parlament hat eine Entscheidung getroffen, wie das Gebäude genutzt werden soll. Es hat sich auch zur Fassade geäußert. Wenn der Bundestag diese Lösung will, dann muss er auch entscheiden, ob und wann es zu finanzieren ist.

Der Bund ist auch pleite. Wenig wahrscheinlich, dass da schnell eine Entscheidung kommt.

Ich glaube nicht an die proklamierte zweijährige Bedenkzeit. Dieser Zeitraum wird schon benötigt werden um den Abriss zu planen und die Finanzierung samt der notwendigen Ausschreibungen sicherzustellen. Es sollten keine Illusionen geweckt werden. Abriss und Begrünung bedeuten, das die Bauaufgabe einer kommenden Generation vorbehalten bleibt. Nur ein kommerzieller Bau mit Schlosshotel, Schlossmall und Schlosscasino wäre schneller finanzierbar. Aber das wäre an dieser Stelle, der Stadtmitte und der Staatsmitte, unakzeptabel.