Im Zeichen des Zapfhahns

Der selbstbesoffene FC Bayern lobt sich nach seinem mäßig erfrischenden und wirkungsfreien Clausthaler-1:1 in der Starkbiermetropole Anderlecht weiter als Braumeister der Champions League

aus Anderlecht BERND MÜLLENDER

La Capitale hatte die Richtung vorgegeben. Die Gazette hatte das Spiel der Münchner Bayern beim Brüsseler Vorortclub RSC Anderlecht mit dem ganzseitigen Foto einer Maß-beladenen Hofbräuhaus-Kellnerin launig ein „Derby de la bière“ getauft, ein Bierduell also, weil beide Städte maßgeblich Großes zur nationalen Braukunst beitragen. Und tatsächlich wurde die Begegnung überaus bierlastig.

Der FC Bayern wäre nicht der FC Bayern, hätten seine Repräsentanten das 1:1 beim belgischen Rekordmeister nicht selbstbesoffen bewertet wie nach einer ex gekippten Flasche extra-prozentigen belgischen Abteibiers. Ottmar Hitzfeld hatte „ein sehr gutes Champions-League-Spiel“ beobachtet, stammgewürzt durch, so Karl-Heinz Rummenigge, „große Leidenschaft“ und „in der zweiten Halbzeit Weltklasse bei Martin Demichelis“. Manager Uli Hoeneß, in Rostock noch schimpfend auffällig geworden („großer Mist“), wollte gar „eine grandiose Leistung in der letzten halben Stunde“ gesehen haben; die Seinen hätten halt „gewartet, bis die anderen sich ausgetobt hatten“.

Hatte der FC Bayern, nach Claudio Pizarros dummem Doppelfoul innerhalb von 60 Sekunden ab Minute 36 gelb-rot-dezimiert (Hitzfeld: „das war internationale Härte“), dem belgischen Tabellenführer (21 Punkte aus 7 Spielen) wirklich so vehement eingeschenkt? Die Statistik führte in der Rubrik Schüsse aufs Tor für die Bayern nachher den Wert 1 wie auch für die Rubrik Tore. Der selbst ernannte League-Favorit war also Weltklasse in Effektivität. Insofern einigten sich alle auf den Begriff „hochzufrieden“.

Nüchtern betrachtet war es ein Spiel, das bis zum Platzverweis zwar deutlich überlegene Bayern gegen eine biedere, aber defensiv brillant organisierte Heimelf sah, mit netten Ballstaffetten unter sichtlichem Führungsanspruch von Michael Ballack, aber einheitlich ohne Torchancen. Roy Makaay (17 Millionen) hatte keine erwähnenswerte Szene und verlor das Duell gegen Anderlechts gefeierten Premieren-Youngster Vincent Kompany (17 Jahre) eindeutig. Aber der ganze FC Bayern glich einem Clausthaler: kaum erfrischend, mäßig im Geschmack und ohne jede Wirkung.

Daran änderte sich auch nach dem Rückstand in Minute 53 zunächst wenig. Da war Anderlechts Elfenbeinküstler Dindane Aruna für einen Moment zum Elfenbeinkünstler geworden, als er Robert Kovac ärschelnd vernaschte (Hitzfeld: „So eine Szene sieht man nicht alle Tage“), den heraushechtenden Ex-Titan Oliver Kahn ins Leere hüpfen ließ und dem Ex-Frankfurter Ivica Mornar zum 1:0 auflegte.

Auch danach spielte der FC Bayern eher wie zehn Flaschen halb leer denn halb voll. Einmal aber guckte die ansonsten trappistenbierstarke Innenverteidigung des belgischen Rekordmeisters einer langen Flanke von Hasan Salihamicic („Wir wollen den Pott“) wie verkatert zu. Einwechselmann Roque Santa Cruz köpfelte ein und erklärte sich nachher für „sehr glücklich“.

Im Stadion wurde, bei Bier hat Belgien offenbar Narrenfreiheit, entgegen allen strengen UEFA-Auflagen nicht das Hauptsponsorengesöff aus dem Lande Roy Makaays gezapft, sondern ein landestypisches „Affligem Abtijbier“. Ein alkoholstarker wie köstlicher Beleg, dass im Land der Pralinees und Pädophilen eigentlich jedes Dorfkloster biertechnisch hohe Derbyfähigkeit besitzt. Auch die spielerisch limitierten Belgier hatten ganze drei Mal aufs Tor geschossen – wenig Schankverlust also insgesamt. Trainer Hugo Broos war mit dem 1:1 „nicht zufrieden“.

Der nüchterne Hitzfeld rechnete: „Wir haben zwei Punkte verloren“, was verquer bedeutete: „Wir sind im Soll.“ Zum Europapokal-Debüt des Referees Luis Medina Cantalejo aus dem Land des großen Real Madrid merkte er großmütig an: „Irgendwann muss ja jeder sein erstes Spiel machen. Beide haben unter ihm gelitten. Aber wir wollten einen Beitrag liefern, dass er ausgebildet wird.“ Die selbstbesoffenen Bayern, spielerisch kaum mehr als ein Real für Arme, als selbstloser Sozialhelfer. Eine neue Rolle. Eine schöne Geste. Freibier für alle. Nur Spielverderber Hitzfeld labte sich beim Mitternachtsbankett im Brüsseler Sheraton an feinem Rotwein statt am Fußballergetränk.

Mit dem 1:1 ist für niemanden weder Hopfen noch Malz verloren. Kein Leergut blieb zurück, keine Dose ohne Trittin’schen Rückpasszwang. Damit aber Abpfiff für bierselige Analogien: War vielleicht doch nur ein Fußballspiel, ein mäßiges. Prost.