unterm strich
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Manchmal muss die Erkenntnis über viele Übersetzungsbrücken gehen, bevor sie einen anlacht. „Überkitsch Artifacts Evoke Old East Germany“ war ein Artikel über die Ostalgie-Sendungen im deutschen Fernsehen und die große Berliner Ausstellung zu Kunst aus der DDR in der gestrigen Augabe der New York Times überschrieben. „Überkitsch“. Was für ein schönes Wort, vor allem, wenn man es sich in der amerikanischen Intonation vorstellt: „Uberkitsch. Und was für ein Assoziationsrahmen dieses Wort aufspannt: vom Übermenschen bis zum Gartenzwerg ist alles da. Da möchte man doch gerne mal für einen Tag Amerikaner sein und mit diesen Assoziationen im Kopf ins Kino gehen, um sich „Good-Bye Lenin“ anzuschauen. Aber wer weiß. In Deutschland schaut man sich ja auch die Filme von Michael Moore an und glaubt, jetzt habe man was über die USA gelernt.

Wer etwas über die Situation der deutschen Theater lernen möchte, der sollte am kommenden Tag der Deutschen Einheit, also morgen, die Augen offen halten. In vielen deutschen Städten soll nämlich unter dem Motto „Theaterland wird abgebrannt“ gegen die drohenden Kürzungen in den Kulturhaushalten protestiert werden. 3. Oktober, nicht wegen der deutschen Einheit, sondern weil vor genau zehn Jahren an diesem Tag das Berliner Schillertheater geschlossen wurde, bis heute das zentrale Symbol für den willkürlichen kulturellen Kahlschlag aufgrund finanzieller Notlage. Denn, darauf verweist auf jeden Fall die dpa, die extra eine Umfrage in Auftrag gegeben hat, über 80 Prozent der Deutschen sind gegen die Schließung von Theatern. Trotz zunehmender Ängste vor sozialem Abstieg. Also: Heraus zum 3. Oktober, wohin auch immer.