„Arnold ist eine Gefahr“

Interview PETER UNFRIED

taz: Mister Camejo, haben Sie eigentlich je einen Film mit Arnold Schwarzenegger gesehen?

Peter Miguel Camejo: Wahrscheinlich. Ich kann mich aber nicht erinnern. Meine Frau und ich mögen jedenfalls keine Filme, in denen Millionen Menschen getötet werden. Auch wenn es Komödien sind.

Ist es nicht ironisch, dass nach all diesen Jahren wieder ein Schauspieler Ihren Lebensweg kreuzt?

Sie spielen auf Ronald Reagan an, der mich einen der zehn gefährlichsten Männer in Kalifornien nannte.

Richtig. Was machte Sie so gefährlich?

Ich führte 1968 in Berkeley Antikriegsdemonstrationen an, und Reagan war kalifornischer Gouverneur.

Und jetzt ist da wieder ein Schauspieler …

… der sich als Bonaparte inszeniert.

Was meinen Sie?

Einer, der auf einem weißen Ross daherkommt, der nicht sagt, was die Inhalte seiner Politik sind. Nur: Ich bin stark, ich kann euch retten. Das ist gefährlich.

Für wen?

Für die Demokratie. So ein Typ sagt den Leuten, sie hätten Dinge zu akzeptieren, die auf der Persönlichkeit des Menschen basieren und nicht auf seinem Wahlprogramm.

Manche sagen, immerhin habe Arnold die apathischen Kalifornier repolitisiert.

Falsch. Er hat es geschafft, dass sich viele für diesen Recall interessieren. Das liegt daran, dass die Medien Unterhaltung lieben.

Nun ja. Immerhin kandidieren ja auch Terminatoren, Stripperinnen, 101-Jährige, alles in allem 135 Kalifornier.

Ja, das ist gut. Damit habe ich kein Problem. Aber es geht um eine ernste Sache, und das Kernthema heißt: Steuern und fiskalische Verantwortung. Die fünf Prozent Reichen sollen prozentual dasselbe zahlen wie andere in Kalifornien. Täten sie das, hätten wir ein ausgeglichenes Budget.

Und – wird Arnold Gouverneur?

Ich hoffe, nicht. Aber es ist ein interessantes Manöver. Die Leute, die ihn führen, sind George W. Bush und Pete Wilson …

der republikanische Exgouverneur.

Ja. Wir sind an einem beispiellosen Punkt in der amerikanischen Geschichte. Leute sind jetzt im Gefängnis ohne Prozess oder Anklage. Bush will das zu akzeptiertem Geschäftsgebaren machen. Und deshalb ist Arnold eine Gefahr, denn er ist da einer Meinung mit Bush. Obwohl er in bestimmten Themen wie Abtreibung, Rechte von Homosexuellen und auch in sozialen Fragen nicht zum extremen rechten Flügel gehört wie Bush.

George W. Bush …

… will den Imperialismus zurückbringen, den Kolonialismus, die Macht des Militärs für seine Politik nutzen. Im Prinzip geht es gegen Europa, das fast kein Öl hat – und entsprechend verzweifelt ist. Bush ist eine sehr gefährliche Figur der Zeitgeschichte.

Und sein kalifornischer Mann aus dem Kino redet in politischen Debatten nicht über Inhalte und führt trotzdem die Umfragen an. Frustriert Sie das nicht?

Ja, das ist frustrierend.

Steht Arnold für die endgültige Boulevardisierung der Politik?

Nein. Ich denke nicht, dass Arnold für eine große Zäsur steht. Bush repräsentiert eine große Veränderung der Politik – und eine Gefahr. Ich denke auch nicht, dass Arnold der nächste Gouverneur sein wird. Davis auch nicht. Cruz Bustamante …

Stellvertreter des amtierenden Gouverneurs …

… ist der Kandidat der kalifornischen Mehrheitspartei. Es ist nicht so, dass wir uns einig wären. Aber er hat auch nicht gesagt: Peter, du bist doch nur ein armer Irrer. Ich habe in ihm einen ganz anderen Charakter gefunden als in Davis. Oder in Arnold.

Okay, am Ende wird er statt Davis Gouverneur, die Demokraten behalten ihre Macht und Jobs. Alles prima?

Ich habe nicht gesagt, dass das gut ist. Gut ist, dass die Grünen gestärkt sein werden. Gut ist, dass Cruz einen sehr viel besseren Charakter hat als Davis.

Inwiefern?

Davis war immer scheinheilig. Davis ist korrupt. Du gibst ihm Geld für den Wahlkampf, er beruft dich in eine Kommission. Als die Lehrergewerkschaft ein Gesetz von ihm forderte, nannte er den genauen Preis: 1 Million Dollar. Du zahlst, du kriegst dein Gesetz: Das ist Gray Davis.

Herr Camejo, an der Ostküste lachen sie seit Monaten über die verrückten Kalifornier.

Wen soll das kratzen? Das ist doch purer Neid. Die sind alle nur neidisch auf Kalifornien. Wir sind der stärkste Staat, die größte Wirtschaftskraft, führend in Technologie und Innovation.

Für die Ignoranten: Was ist so großartig an Kalifornien?

Oh, Kalifornien ist fantastisch. Hohe Lebensqualität. Gesegnet mit dem besten Wetter der USA. Wir haben die schönste Geografie, das Meer, die Wälder. Und die Grünen versuchen das zu bewahren.

Ist Kalifornien wirklich progressiv?

Es ist beides. Konservativ und progressiv. Im Süden herrscht eine mächtige konservative Macht, der Norden ist sehr progressiv – zumindest im Vergleich zum Rest der USA. Wir führen dieses Interview in einer Stadt …

San Francisco …

… in der die Progressiven in der Mehrheit sind. Wir sind hier die zweitgrößte Partei. Ich habe die Republikaner hier bei der letzten Wahl geschlagen. Humboldt County, Mendocino County, überall an der Nordküste haben wir über zehn Prozent.

Wird in diesen Tagen Geschichte gemacht?

Absolut. Ich habe schon gesagt: Man muss ein Foto von allen 135 Kandidaten machen. Das wird auf ewig in den Geschichtsbüchern sein. Glauben Sie mir: Diese Geschichte wird noch in hundert Jahren erzählt werden.

Ist es eine historische Zäsur, weil zuvor apathische Bürger sich gegen die verkrustete, politische Kaste wenden?

Na ja, die Leute sind verwirrt. Warum dieses Defizit? Gut, wir haben hier in der Bay-Area die meisten Arbeitslosen, weil die Technologie hier hart gebeutelt wurde, aber grundsätzlich funktioniert die Wirtschaft. Wir haben die größte Produktion aller Zeiten. Die meisten Leute haben noch keine klare Einschätzung der Lage, aber alle reden, diskutieren. Das heißt: Es passiert was. Es ändert sich was. Und der Recall hat das alles nach oben gebracht.

Lassen Sie uns über die Menschen reden. Die Menschen … was lachen Sie denn? Arnold kandidiert doch für die Menschen.

Das sagt so ein Bonaparte immer von seinem weißen Pferd herunter. Er sagt: Ihr braucht nicht mitzudenken, ihr Menschen, ich mache das schon.

Arnold bringt junge Latinos zur Wahl, die sonst nicht wählen würden.

Vielleicht finden sie ihn anfangs attraktiv. Er kommt anders daher als traditionelle Politiker – und er ist ja auch ein bisschen anders. Aber die Latinos werden sich schnell von ihm abwenden, wenn sie merken, dass er Kinder von illegalen Einwanderern aus der Schule rauswerfen will.

Sind Sie nicht verzweifelt?

Warum sollte ich verzweifeln?

Zum Beispiel weil Sie in einem Land leben, in dem jedes Ihrer konkreten politischen Ziele die Zahl der potenziellen Wähler verkleinert …

Hören Sie mir zu: Unsere Spezies ist auf diesem Planeten seit einer Million Jahren.

Sie werden doch nicht etwa philosophisch?

Nein, hören Sie zu. Umweltverschmutzung gab es vor 1945 praktisch nicht. Dann explodierte die Bevölkerung, dann kam die Klimaerwärmung als Folge des Verbrennens von Karbon. Die menschliche Spezies hat erst fünzig, sechzig Jahre Zeit, damit umzugehen. Die Umweltbewegung ist die am schnellsten wachsende Bewegung aller Zeiten. Und im Irakkrieg haben wir ein neues Phänomen gesehen: den Konsens einer Spezies. Der Konsens bestand darin, gegen Bush und seinen Krieg zu sein.

Die Dinge verbessern sich?

Die Dinge ändern sich. Das gibt uns Hoffnung.

In Deutschland haben sie sich schon derart geändert, dass die Grünen seit 1998 mit in der Regierung sind.

Ich bin ganz ehrlich: In 70 Prozent der Fälle kann ich den Positionen des Außenministers nicht zustimmen. Wir Grünen waren in starker Opposition zu Fischers Unterstützung der US-Invasion in Afghanistan. Die deutschen Grünen haben viele gute Dinge gemacht, aber inzwischen haben einige dieser Grünen ihre Ideale verkauft. Ich denke, es gibt auch in Deutschland viele Grüne, die mir da zustimmen.

Sie behaupten, man könne auch als Politiker die Wahrheit sagen. Das ist doch eine Lüge?

Nein. Politiker beantworten Fragen nicht auf der Grundlage dessen, was sie glauben oder wissen. Sie kalkulieren, was Stimmen bringt. Ich versuche, das zu überwinden. Ich will einen Gesamtzusammenhang schaffen. Sogar die Grünen prügeln mich und sagen: Peter, du redest zu lang. Du musst in 20 Sekunden antworten. Aber wir müssen eine Schneise in Amerika schlagen, die für Wahrheit steht und Ehrlichkeit. Hören Sie: Dieses Land hat große Traditionen. Und ironischerweise sind wir Grünen inzwischen die Bewahrer dieser Traditionen.