Lost in Maisfeld

Dämonische Oberfläche: Am Hamburger Schauspiel bringt Viviane de Muynck William Faulkner auf die Bühne

Fast unmerklich bewegen sich die kahlen Wände des Malersaals. Bühnenscheinwerfer beleuchten die Farmer-Familie Bundren. Kaum zu erkennen ist so die Videoprojektion eines Weizenfeldes in dieser Adaption von William Faulkners 1930 geschriebenem Roman Als ich im sterben lag, die die belgische Schauspielerin und Regisseurin Viviane de Muynck auf die Bühne gebracht hat.

Dunkle Seele, schwarzes Herz. 1949 konnte sich die Nobelpreiskommission auf keinen Literaturpreisempfänger einigen. Erst 1950 bekam der englische Literat und Philosoph Bertrand Russel den Preis zugesprochen, für das Jahr davor wurde William Faulkner nachnominiert.

Faulkner ist kein leicht zu goutierender Autor, schon früh verließ er die Pfade der einfachen, ländlichen Wahrheiten seines Mentors Sherwood Anderson. Über Faulkners ländlichen Idyllen schwebt ein aufgeladenes Gewitter verbaler Dunkelheit. Seine Storys verlassen jeden vogegebenen Weg, um sich zu verlieren oder an einer tragischeren Stelle weiterzumachen.

Eine solche fragmentarische Schreibweise birgt zugleich Chancen wie Hürden für eine Dramatisierung. Allzu häufig verliert sich das Schauspielensemble wie eine flüchtende Chain-Gang in einem Maisfeld, ohne einen Ausweg zu sehen. Manchmal wissen die Akteure nicht, ob sie sich oder die Geschichte spielen sollen.

Erzählt wird hier vom Tod der Farmersfrau Addie Bundren. Zu Lebzeiten hatte sie sich gewünscht, in ihrer Geburtsstadt Jefferson beigesetzt zu werden. Nun begibt sich die Familie mit dem Sarg auf eine Odyssee, die von Feuer- und Flutkatastrophen begleitet wird. Traurig und komisch reist der Leichenzug durch das Mississippi-Delta und deckt immer mehr Geheimnisse der Verstorbenen auf.

Faulkners Sprache ist poetisch, ohne in Pathos zu verfallen. Faulkner und de Muynck lassen derart viel Alltag und Gegenwart aufscheinen, dass diese Oberfläche viel größer und dämonischer scheint, als alle angedrohten Höllen tief werden können. „Alles hat (vielleicht?) keinen Sinn. Wäre es nicht so, würden Er oder Sie, die das gesamte Gefüge schufen, die Dinge anders gestaltet haben. Aber trotzdem, es muss etwas bedeuten, denn der Mensch setzt seinen Kampf fort, bis eines Tages alles zu Ende sein wird“, so Faulkner. Wir atmen durch und machen weiter. NIKOLA DURIC

weitere Vorstellungen: 4.10., 24. + 29.10., 1.11., jeweils 20 Uhr, Malersaal, Deutsches Schauspielhaus, Hamburg