Poker per Personalkündigung

Bremerhaven droht die Schließung sämtlicher Kinos: Nach gescheiterten Mietverhandlungen zwischen der Betriebsgesellschaft Union und dem Kino-Eigentümer Ulrich Marseille hat die Union allen ihren MitarbeiterInnen vor Ort zum Jahresende gekündigt

Union-Geschäftsführer Wolfgang Kirchner: „Wir müssen davon ausgehen, dass da nichts mehr zu machen ist“

von KLAUS IRLER

Bremerhavens Kulturdezernent Wolfgang Weiß (SPD) ist „geschockt“, findet, dass so etwas „gar nicht vorstellbar“ sei, allein: machen, machen kann er nichts. Dabei klingt es so, als müsste irgendwer ganz dringend eingreifen: „Die Kinobetriebe in Bremerhaven werden zum Jahresende schließen“ ist die Ansage von Wolfgang Kirchner, dem Geschäftsführer der Hamburger Kinobetriebsgesellschaft Union. Die betreibt mit dem Aladin, der Passage und dem Apollo sämtliche Kinos der 120.000-EinwohnerInnen-Stadt Bremerhaven. Wenn die Union tatsächlich alle drei Spielstätten aufgibt, wäre Bremerhaven ab dem 1. Januar 2004 eine Großstadt ohne Kino.

Ihren insgesamt 30 MitarbeiterInnen in Bremerhaven hat die Union bereits fristgerecht Ende September gekündigt. Kirchner sah sich zu diesem Schritt „aus wirtschaftlichen Gründen“ gezwungen, nachdem die Mietverhandlungen mit dem Eigentümer des Aladin und der Passage, Ulrich Marseille, gescheitert waren. Der Hamburger Unternehmer Marseille forderte dabei eine deutliche Erhöhung der Miete, während Kirchners Union im Hinblick auf Einnahmerückgänge den Mietzins senken wollte. „Wir müssen davon ausgehen, dass da nichts mehr zu machen ist“, so Kirchner zur taz. Über konkrete Zahlen wollte Kirchner nicht sprechen. Ulrich Marseille war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Und die Bremerhavener Politik kann beim drohenden Kahlschlag nur zusehen. „Es wird kein Staatskino geben“ kündig Kulturdezernent Weiß an und sagt, beim Kinostreit seien seine Möglichkeiten zur Einflussnahme „sehr begrenzt“. Wenn es zu einer „gemeinsamen Problemlösung“ komme, „dann zusammen mit dem Wirtschaftsreferat.“

Ebenda stellt Ralf Meyer fest: „Das ist eine privatwirtschaftliche Sache zwischen Mieter und Vermieter, da können keine Gelder der öffentlichen Hand fließen.“ Hilfe seitens der Stadt könne es lediglich bei einer Suche nach einem neuen Kinostandort in Bremerhaven geben, etwa wenn die Union sich entschließen würde, die drei Kinos „zusammenzufassen“ und zentralisiert andernorts wiederzueröffnen. Aber, so Meyer: „Ich bin zuversichtlich, dass es zu einer Einigung kommt. Da wird jetzt von beiden Parteien Druck aufgebaut, aber wenn Räumlichkeiten wie Kinos leer stehen, ist es sehr schwer, einen neuen Mieter zu finden.“

Den drohenden Kinotod sieht auch Verdi-Landesmediensekretär Friedrich Siekmeier als „Druckmittel“ und findet es von Vermieter Marseille „infam“, dieses einzusetzen. Auf der anderen Seite findet es Siekmeier aber auch „fragwürdig, dass die Union vorsorglich mit Kündigungen vorgegangen ist.“ Denn die Union sei eben nicht nur ein kleiner Liebhaber-Betrieb, und da würde Siekmeier „gerne wissen, wie die wirkliche wirtschaftliche Lage bei der Union ist und ob da auch andere Lösungen hätten gefunden werden können.“

In der Tat betreibt die Union bundesweit über 20 Kinos und gerade mit Privatklinikenmogul Ulrich Marseille pokert da kein kleiner Fisch: Als Aufsichtsratsvorsitzender der Marseille-Kliniken AG kennt Ulrich Marseille beispielsweise aus dem Geschäftsjahr 01/02 operative Umsatzerlöse in Höhe von 180,9 Millionen Euro. Im Übrigen machte sich Marseille einen Namen als Mitglied der Schill-Partei in Sachsen-Anhalt: Dort war er bis Juli 2003 Landesvorsitzender.

Bleibt abzuwarten, ob die Kontrahenten im Kino-Poker ihre wirtschaftliche Potenz als Spielraum für eine Einigung oder als Finanzbasis für Trotzverhalten begreifen. Das Bremerhavener Kino ist dem jedenfalls völlig ausgeliefert: Nachdem selbst das Kommunale Kino seine Filme als Untermieter der Union im Apollo zeigt, dräut auch dem KoKi-Vorsitzenden Bernd Glawatty „eine Katastrophe“.