Kurze Wege, kleine Preise

Schaut gut aus: Ausgerechnet im vermeintlichen Krisenjahr, in dem es mit sechs weiteren Kunstmessen konkurriert, zeigt sich das Art Forum für Gegenwartskunst konsolidiert. Abgewanderte Galerien dürften über kurz oder lang zurück nach Berlin finden

von BRIGITTE WERNEBURG

Die hohen Preise für die Kunst, so sagte der Soziologe Dirk Baecker am Sonntag im „ZDF-nachtstudio“, stigmatisierten die Kunst. Das durfte man durchaus so verstehen, dass sie die Kunst heilig sprechen, um sie gleichzeitig irrelevant zu machen; zu einem Phänomen für Wundergläubige gewissermaßen.

Im Rahmen einer Reihe von Sendungen zum Thema Kulturindustrie diskutierte Dirk Baecker mit Klaus Staeck, dem Münchner Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich und der künstlerischen Leiterin der Berliner Kunstmesse Art Forum, Sabrina van der Ley, über das Thema Kunst und Geld. Zu Recht konnte Sabrina van der Ley darauf hinweisen, dass das Art Forum der Ort dieser Stigmatisierung nicht sei. Denn das Art Forum ist dezidiert der Ort geworden, an dem die zeitgenössische und ganz junge, im Preis moderate Kunst gehandelt wird.

Das zeigt sich im achten Jahr der Veranstaltung, in dem die Messe in die alten Tageslichthallen am Funkturm umgezogen ist, in dem sie sich auf rund hundert Aussteller verkleinert hat und eine Messe der kurzen Wege ist, in der sich der Rundgang in überschaubarer Zeit bewältigen lässt: Eine kluge Reaktion der Messeleitung auf den internationalen Kunstmessenboom, der diesen Herbst zu konstatieren ist.

Nach Berlin, dem Saisonstarter, folgen London, Paris, Turin und im Dezember der Ableger der Basler Messe in Miami Beach. Vor allem die neue Londoner Messe, organisiert von den Herausgebern der Kunstzeitschrift Frieze, hatte im Vorfeld der Berliner Messe für viel Wirbel gesorgt, da eine Gruppe wichtiger Berliner Galeristen es vorzog, Berlin zugunsten von London die kalte Schulter zu zeigen.

Es fehlen in diesem Jahr also die Großformate von Malerstars wie Daniel Richter und Michel Majerus, der im letzten Jahr tödlich verunglückte. Und doch erscheint die Messe im Jahr ihrer vermeintlichen Krise konsolidiert. Peinlich wirkte da die umlaufende Postkarte jener Galeristen, die ihren Sitz an den S-Bahn-Bögen am Holzmarkt haben und die Messebesucher unter dem Motto „We love you“ auf den Weg nach Mitte locken wollten. Gerade die Messestände derjenigen Berliner Galerien, die dem Standort die Treue gehalten haben, schauen gut aus, und entsprechend haben die Galerien nach eigener Auskunft auch gut verkauft.

Eigen + Art konnte zwei Riesenformate ihres Stars Neo Rauch verkaufen, die immerhin je 60.000 Euro kosten, und beim Nachwuchstalent Tim Eitel übersteigen die Nachfragen deutlich das Angebot an Bildern. Zu den Attraktionen der Messe gehört in jedem Fall der Stand der Fotogalerie Rudolf Kicken.

Kicken ließ eine aus 1.084 Gelatine-Silber-Prints zusammengesetzte Bodeninstallation, die Martin Kippenberger 1976 für den Catwalk der Modemacherin Claudia Skoda unter Giesharz legte, restaurieren. Der erstaunlich gut erhaltene Bodenbelag wäre ein Fall für ein Berliner Museum, das zugreifen müsste, um die Reliquie aus den alten, wilden Tagen Berlins für die Stadt zu erhalten. Sonst zeigt Kicken Klassiker von Sander bis Egglestone sowie den gerade wiederentdeckten Österreicher Alfred Seiland.

Auffällig ist bei diesem Art Forum in der Tat, dass die großen Installationen fehlen und wie moderat Film und Video vertreten sind. Unter den wenigen Monitoren fallen die der Galerie Thomas Schulte auf, mit alten Filmen des amerikanischen Architekturkonzeptualisten Gordon Matta-Clark, denen zweifellos musealer Rang zukommt. Auffallend auch die minimalistisch chromblitzende Bar von John M. Armleder bei Anselm Dreher. Wer seinen Edward Hopper dreidimensional zu Hause inszenieren möchte, muss freilich 110.000 Euro dafür ausgeben.

Ein solcher Preis ist aber in Berlin die Ausnahme. Junge Galerien wie Koch & Kesslau oder griedervonputtkamer zeigen Papierarbeiten zu Preisen zwischen 300 und 5.000 Euro. Britta Lumer bei griedervonputtkamer etwa wird ihre erste Einzelausstellung in der Galerie nach der Kunstmesse haben. Über die Hälfte der Aussteller kommt aus dem Ausland, was für die internationale Attraktivität der Messe spricht. Die Messe im neuen Format, die morgen zu Ende geht, zeigt Format.

Man kann sich gut vorstellen, dass im nächsten Jahr die eine oder andere, für die Highlights zuständige, internationale wie auch Berliner Galerie wieder anwesend ist.