Keine ABC-Waffen im Irak gefunden

Der US-Sonderinspektor David Kay legt dem Kongress einen Zwischenbericht vor. Auch er ist bei der Suche nach Massenvernichtungswaffen bislang nicht fündig geworden. Damit steht eine Säule von Bushs Außenpolitik zur Disposition

aus Washington MICHAEL STRECK

Es war ein Tag, der den Kritikern des Irakkrieges die Unverhältnismäßigkeit der US-Sicherheitspolitik nicht besser hätte deutlich machen können. Nordkorea verkündete, dass es die Vorbereitungen für den Bau von Atombomben abgeschlossen hat. Sonderinspektor David Kay, vom Weißen Haus und vom Pentagon beauftragt, im Irak nach ABC-Waffen zu suchen, erklärte vor dem US-Kongress: Befund negativ.

Kay, Chef des 1.200 Mann starken Inspektorenteams, war gekommen, um nach fünf Monaten Suche Zwischenbericht zu erstatten. Der Konjunktiv war dabei die oft gebrauchte Form: „… könnte benutzt oder entwickelt haben … könnte einsatzfähig gewesen sein.“ Welch ein Unterschied zu den definitiven Aussagen von US-Präsident George W. Bush und Vertretern seiner Regierung. Ende März noch sagte Pentagonchef Donald Rumsfeld über mögliche Massenvernichtungswaffen: „Wir wissen, wo sie sind.“

Tatsächlich stochern Kays Suchtrupps im Dunkeln. Selbst er ist mittlerweile überzeugt, dass die US-Regierung einem gezielten Bluff Saddam Husseins aufsaß, der bedrohlicher wirken wollte, als er letztlich war. Dennoch will Kay noch sechs bis neun Monate weitergraben – und dafür vom Kongress zusätzliche 600 Millionen Dollar. Natürlich ist es möglich, dass irgendwann versteckten Waffen einschließlich mit Gas gefüllter Granatenhülsen oder Reste von zerstörten Biolaboren auftauchen. Doch fest steht, dass mitnichten jemals von einer „immanenten Gefahr“ durch das Regime des Diktators gesprochen werden konnte.

„Nun ist deutlicher denn je, dass die Regierung die Bedrohung völlig übertrieben hat und sich auf zweifelhafte und umstrittene Informationen stützte“, sagt Daryl Kimball, Direktor der „Arms Controll Association“ in Washington. Der Bericht unterstreiche zudem, wie erfolgreich letztlich die UNO-Inspektoren in den 90er-Jahren bei der Zerstörung irakischer Waffensysteme waren. „Die UNO-Inspektoren, deren Arbeit von der Bush-Regierung so missachtet wurde, waren weitaus effektiver als angenommen und nahmen Hussein die Fähigkeit, bedrohliche ABC-Waffenkapazitäten zu erwerben“, sagt Kimball.

Für Bush sind die „weapons of mass destruction“ längst kein Thema mehr. Der Irak ist für ihn zum Schlachtfeld Nummer eins gegen den weltweiten Terror geworden. Doch die nicht gefundenen Waffen werden nicht so schnell in Vergessenheit geraten – in den Augen der US-Bevölkerung zumindest nicht, solange im Irak täglich GIs sterben. Denn die falschen Behauptungen betreffen nicht nur den Irak. Sie verweisen auf den Umgang mit anderen Konflikten wie in Nordkorea oder Iran und werfen die zentrale Frage auf, inwieweit Geheimdienstdaten als Grundlage für Präventivkriege vertraut werden kann. „Die Welt noch einmal von einem solchen Krieg zu überzeugen ist viel schwieger geworden“, sagt Lee H. Hamilton vom Woodrow Wilson International Center in Washington.

Zur Disposition steht also eine Säule von Bushs Außenpolitik. Doch den bislang einzigen Ausweg sieht die US-Regierung im stoischen Leugnen der Realität. Selbst Kommentatoren, die sich bislang nicht als Bush-Kritiker hervorgetan haben, wie George Will von der Washington Post, scheinen zu verzweifeln. „Warum ist es so schwer, einzugestehen, dass sie mit ihren Geheimdienstdaten falsch lagen?“, fragt er. Bush könnte somit in die Geschichte eingehen als der US-Präsident, der das Kunststück vollbracht hat, einen falschen Krieg zur falschen Zeit mit den falschen Argumenten geführt zu haben. Mal sehen, ob das zur Wiederwahl reicht.