Ein gescheiterter Auftritt des Außenministers

Joschka Fischer präsentiert Wolfgang Schäubles neues Buch „Scheitert der Westen“ – und sich selbst

BERLIN taz ■ Der Blick ist mild, ein verständnisvolles Lächeln zart angedeutet: das Bild von Wolfgang Schäuble auf dem Schutzumschlag seines neuen Buches ist ein wunderbares Foto. Es drückt die Weisheit eines gereiften Mannes aus – und zugleich ein fast jugendliches Interesse am Gegenüber, jene vorurteilsfreie Offenheit, zu der nur wirklich große Denker fähig sind. Präsidenten sollten der landläufigen Meinung zufolge aus solchem Holz geschnitzt sein. Das „Design Team München“, das für die Umschlaggestaltung des bei Bertelsmann erschienenen Bandes „Scheitert der Westen?“ verantwortlich zeichnet, hat seine Aufgabe vorbildlich erfüllt.

Bei der Präsentation seines Buches am Donnerstag in Berlin bietet der CDU-Politiker allerdings über weite Strecken ein anderes Bild. Verärgert sieht er aus und auch enttäuscht. Es ist Schäuble anzumerken, dass er nicht findet, seinem Werk widerfahre Gerechtigkeit. Und er macht aus seiner Ansicht keinen Hehl. „Pappkameraden“ habe der Mann aufgestellt, den er um eine Würdigung seines Buches gebeten hatte. Vielleicht habe der befürchtet, dass ihm zu viel geistige Nähe selbst schaden könne.

Das ist möglich. Vorstellbar ist aber auch, dass Außenminister Joschka Fischer so sehr um seinen eigenen Kosmos kreist, dass er nicht einmal mehr merkt, wenn er sich wie ein Flegel benimmt. Am Anfang seines Auftritts stehen Gockelspielchen: Als sein „Vorzimmer“ ihm vor einigen Wochen mitgeteilt habe, dass Wolfgang Schäuble ihn sprechen wolle und der ihn um die Präsentation seines Buches gebeten habe, da habe er, Fischer, spontan zugesagt. Ach ja. Rangordnung geklärt.

Können wir jetzt zur Sache kommen? Nein, noch nicht. Fischer meint, viele seien doch nur gekommen, weil sie sich für den Wettbewerb um das Amt des Bundespräsidenten interessierten. Eine überraschende Einschätzung von jemanden, der selbst ein Buch doch immerhin für bemerkenswert genug zu halten scheint, um es vorzustellen. Aber der Laudator bleibt tagespolitisch: „Da muss ich Sie gleich enttäuschen.“ Die Frage nach dem Bundespräsidenten stünde heute nicht zur Debatte. Nett, dass er das mitteilt. Aber wäre es nicht eigentlich an Wolfgang Schäuble, das klar zu stellen? Es ist nämlich nicht Fischer – man scheint daran erinnern zu müssen –, der für dieses Amt derzeit zur Diskussion steht.

Nun aber vielleicht doch ein paar Sätze zu dem Buch? Ja, natürlich. Viele Sätze – so viele, dass der Autor selbst kaum noch eine Chance hat, zu Wort zu kommen. Joschka Fischer sagt das, was er immer sagt. Er spricht über Globalisierung, über Europa, über die UNO und über Krieg und Frieden. „Sicherheit und Stabilität im 21. Jahrhundert sind nicht mehr nur durch Waffen herstellbar.“ Nicht mehr nur? Da schimmert ein erstaunliches Geschichtsbild durch.

Aber was unterscheidet ihn denn nun von Wolfgang Schäuble? Ganz viel – sagt der Außenminister. Allerdings bleibt er bei der Beschreibung der Unterschiede meist im Ungefähren. Schade. Denn Wolfgang Schäuble hat mit seinem Buch einen kühnen Versuch unternommen: eine konservative Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung zu geben, ohne deren Kritiker herabzuwürdigen.

Dieser Versuch wäre einer ernsthafteren Antwort wert gewesen als des beiläufigen Hinweises von Joschka Fischer, er habe die philosophischen Teile des Buches „schneller gelesen“ als die politischen: Letztere fand er nämlich „spannender“. Solche Anmaßung ist bodenlos. Jene Parteifreunde von Schäuble, die ihn vor Joschka Fischer als Laudator gewarnt hatten, mögen die falschen Gründe für ihren Rat gehabt haben. In der Sache hatten sie Recht. BETTINA GAUS