Jukebox

Musik von minderer Güte: für unseren Genuss

Es gibt ja nichts, was es nicht gibt. Deswegen gibt (gut: gab) es sogar eine Band, die sich kokett selbstbezichtigend The Vorgruppe genannt hat. Mit gutem Willen konnte man die als die deutschen ABC bezeichnen. In Wirklichkeit klangen sie genau so: wie eine Vorgruppe. Die Band hatte keinen Erfolg.

Jenseits der Spiegel passieren besondere Dinge. Verschwiegene Wonnen, nie gesehene Wunder. Jedenfalls spielt die deutsche Sprache mit solchen Erwartungen, mit ihren präpositionsverstärkten Worten: Was verbirgt sich denn im Hinterzimmer, auf der Rückseite, beim Nachtisch? Doch wohl Geheimnis und Glück. Was auch die Vorgruppe so gern versprechen würde. Aber ausgerechnet ihr wird die Präposition zum Verhängnis: Eine Vorgruppe ist entschieden etwas anderes als eine Gruppe. Erbarmungslos ins Scheinwerferlicht gezerrt, wird sie entzaubert. Das musikalische Äquivalent zur Freibank, wo minderwertiges Fleisch verkauft wird. Durchaus noch genießbares, aber. Niemand mag die Vorgruppe.

Als am Montag bei den Libertines in der Kalkscheune das erste Gitarrenwummern in den Hof drang, stürmte alles in den Saal, während die ersten wieder rausdrängelten und die kostbaren Plätze vor der Bühne preisgaben. Das Wummerrn waren nicht die Libertines. Sondern die Vorgruppe. Den Namen der Band wollte niemand wissen. Sie war schlecht. Weil eine Vorgruppe schlecht sein muss. Ist sie es nicht, hilft ihr der Mann am Mischpult nach.

Was gleich zu der Frage führt, wieso es überhaupt Vorgruppen auf der Welt zu geben hat, die nur wieder tiefenpsychologisch geklärt werden kann. Ein Selbstversuch würde es beweisen: Man muss nur mal auf ein Konzert gehen und sich in der festen Gewissheit wähnen, gerade die Vorgruppe zu hören. Obwohl es eigentlich die Hauptband ist. Man darf sich sicher sein, bestenfalls einem mittelprächtigen Konzert beizuwohnen. Was der Grund ist, wieso einem die Kirche das Paradies nicht bereits hienieden auf Erden einrichten kann. Das Bessere kommt immer noch. Im Konzert beginnt es gleich nach der Vorgruppe. Prinzip bad guy/good guy.

Wenigstens einmal sollten wir auf den Knien dafür danken, dass die Vorgruppe allzeit für unser kleines Glück bereit steht. Der Vorgruppe, die niemand liebt. THOMAS MAUCH