Zwei Motive gegen Flick

Mit einer Plakataktion beginnt heute die NGBK die öffentliche Debatte um die umstrittene „Flick Collection“. Regionalmuseum wiederholt Ausstellung über Zwangsarbeit in Berliner Flick-Firmen

von PHILIPP GESSLER

„Dass den Leuten unwohl wird dabei.“ So fasst die Collagekünstlerin Renata Stih das Ziel der Aktion zusammen, die ab heute ein kulturelles Großereignis skandalisieren will: Zwei Plakate, die der taz exklusiv bereits vorliegen, werden am Vormittag an zwei Abschnitten der Invalidenstraße auf jeweils zwei normalen Plakatwänden aufgehängt. Entworfen haben sie Stih und Frieder Schnock, ein anderer Künstler der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst (NGBK). Die Plakate sollen protestieren gegen die nahende Eröffnung der Ausstellung des Sammlers Friedrich Christian („Mick“) Flick. Und die beiden NGBK-Künstler sind nicht allein mit ihrem Protest. Langsam wächst in der Stadt Widerstand gegen und Diskussionsbedarf über die Mega-Schau des Schweizer Millionenerben.

Vom 22. September an sollen in der Hauptstadt in einer neu gebauten Halle neben dem Hamburger Bahnhof, dem Museum der Gegenwart, 2.500 Werke zeitgenössischer Kunst aus der Sammlung des Kunstmäzens Mick Flick zu sehen sein. Der ist Enkel des Großindustriellen Friedrich Flick, war während der NS-Zeit Hitlers Rüstungslieferant und gehörte zu den reichsten Männern des Nazireichs.

Sein Reichtum beruhte entscheidend auf der Ausbeutung von Zwangsarbeitern, von denen zehntausende im Flick-Konzern tätig waren. Das ererbte Vermögen steckte Mick Flick später in seine Sammlertätigkeit – die Schau sei mit dem „Blutgeld“ von Opa Flick bezahlt worden, so kommentierten dies etwa Mitglieder des Zentralrats der Juden. Hinzu kommt, dass Mick Flick es abgelehnt hat, seine Schau einrahmen zu lassen von einer Dokumentation über die Herkunft seines Vermögens. Der Enkel Flick weigerte sich bis heute, in den Zwangsarbeiterfonds von Bundesregierung und Wirtschaft einzuzahlen. Selbst seine Schwester, Dagmar Ottmann, warf ihm das öffentlich vor.

NGBK-Künstlerin Stih will nun mit den Plakaten in Gold-Rot-Schwarz die Diskussion über die Ausstellung (erneut) anstoßen: „Es fand ja keine statt“, sagt Stih, „man hat hier gepennt.“ Außerdem veröffentlicht die NGBK einen kleinen Ausstellungskatalog, der die Affäre und die Steuermoral Flicks, der in der Schweiz wohnt, behandelt. Schließlich sei von der NGBK eine Aktion „der direkten Ansprache“ der Flick-Schau-Besucher geplant – Näheres wird nicht verraten.

Die NGBK ist in Sachen Widerstand gegen die Flick-Collection weit voraus – hört man sich etwa in Antifa-Kreisen um, sind keine Gegenaktionen geplant oder ist der Name Flick sogar völlig unbekannt. Der Verein „Kontakte“, der Zwangsarbeitern hilft, erwägt immerhin zur Eröffnung der Flick-Schau eine kleine Kundgebung – „aber spruchreif ist das noch nicht ganz“, heißt es von dort. Der Verein „Aktives Museum“ hat sich zwar in einer Presseerklärung gegen die Schau ausgesprochen, die datiert aber von Anfang vergangenen Jahres. Seitdem fehlt es an Zeit.

Immerhin werden auf Einladung des Holocaust-Forschungszentrum „Fritz Bauer Institut“ aus Frankfurt/Main am 20. September in Berlin mehrere ehemalige Zwangsarbeiterinnen aus den Flick’schen Sprengstofffabriken von ihren Erfahrungen berichten. Auch die Regionalmuseen der Stadt wollen mit einem Austellungsprojekt noch einmal auf das Zwangsarbeitersystem im Flick-Konzern erinnern. Dabei wird eine bereits 2002 gezeigte Ausstellung zur Zwangsarbeit in Berlin mit Informationen speziell zu Flick aktualisiert.

Kurz vor der Ausstellungseröffnung wird die frisch gekürte Moses-Mendelssohn-Preisträgerin Hilde Schramm zudem bei der Vorführung des Zwangsarbeiter-Spielfilms „Das Heimweh des Walerjan Wrobel“ im Zeughaus-Kino sprechen. Der Widerstand in der Hauptstadt gegen Flick scheint bisher eher mau.