großer lauschangriff
: Zypries gibt nach – das reicht nicht

Wenn der Staat seine Bürgerinnen und Bürger vor Terroristen und anderen Schwerkriminellen schützt, lässt er es leise klicken: 24.441-mal haben sich Behörden allein 2003 zum Zwecke der Strafverfolgung in deutsche Telefonleitungen eingeschaltet. Justizministerin Brigitte Zypries hat das nicht gereicht. Mit dem Versuch, Beamten noch weitere Lizenzen zum Lauschen zu geben, ist die Sozialdemokratin nun grandios gescheitert.

KOMMENTAR VON ARNO FRANK

Auf die Vorgabe des Verfassungsgerichtes, die Privatsphäre der Verdächtigen besser zu schützen, als es der ursprüngliche Gesetzentwurf vorsah, reagierte die schlaue Zypries mit einem juristischen Winkelzug – und dehnte den Kreis der Abhörmöglichkeiten sogar noch auf Berufsgeheimnisträger wie Ärzte, Priester oder eben Journalisten aus. Dem Widerstand nahezu aller Parteien, Verbände und des eigenen Koalitionspartners, den sie dabei entfachte, hat sie nun nachgegeben und endlich einen Entwurf auf Eis gelegt, der schon seit seiner Vorstellung als Totgeburt gilt. Warum erst jetzt?

Zypries verzichtet auf Wanzen in Redaktionen, um dort die Wogen zu glätten. Erst vor einer Woche hatte sie eine andere Einschränkung des Presserechts deutschen Typs durchgewunken – und das Straßburger „Caroline-Urteil“ zum Schutz der Privatsphäre von Prominenten verteidigt. Der Richterspruch, so Zypries, behindere keinen Journalisten, der Ämtermissbrauch oder Ähnlichem auf der Spur sei. Der große Lauschangriff auf Informantenschutz und Schweigepflicht indessen schon.

Dass europaweit vorbildliche Grundrechte nicht mehr dreist beiseite geschoben werden können, ist natürlich zu begrüßen – wie auch die Tatsache, dass sich die Grünen hier endlich einmal gegen einen konservativen Knochen wie Innenminister Otto Schily (SPD) durchsetzen konnten. Trotzdem ist der Verzicht auf den großen Einbruch in rechtsstaatliche Tabuzonen nur ein erster Schritt. Es gibt viel zu tun. Gegen den Spanner-Paragrafen 201 a, den limitierten Zugang zu Stasi-Akten, das „Caroline-Urteil“ oder den Entwurf zur Novelle der Telekommunikations-Überwachungsverordnung aus Wolfgang Clements Wirtschaftsministerium.

Der ungeschickte Versuch von Zypries, für eine angeblich effektivere Terrorbekämpfung Grundrechte zu opfern, ist nur ein Symptom: für ein ökonomisches Effizienzdenken, das immer mehr in Bereiche sickert, in denen es nichts verloren hat.

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