Ruhrpott spaltet die Genossen

Brandenburgs Ministerpräsident Platzeck wirft NRW-Kollege Steinbrück vor, Wahlkampf auf Kosten der neuen Länder zu machen. Steinbrücks Vergleich zwischen Revier und Ex-DDR sei „unzulässig“

VON MARTIN TEIGELER

Brandenburgs SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck hat NRW-Landeschef Peer Steinbrück (auch SPD) vorgeworfen, Wahlkampf auf Kosten der neuen Länder zu betreiben. Steinbrücks Position, wonach westdeutsche Regionen wie das Ruhrgebiet ähnlich benachteiligt wie Ostdeutschland seien, „ist unzulässig“, sagte Platzeck in der Chemnitzer Neuen Presse. Beide SPD-Landesväter stehen vor schwierigen Wahlen. Am 19. September wird in Brandenburg ein neuer Landtag gewählt, am 26. September finden in NRW Kommunalwahlen statt.

„Man glaubt, dass sich mit Vorwürfen gegen den undankbaren Ostdeutschen gut Stimmen holen lassen“, kritisierte Platzeck seinen Parteifreund. Offensichtlich werde nicht Wenigen im Westen Ostdeutschland lästig, weil die alten Länder zunehmend mit sich selbst zu tun hätten. NRW-Ministerpräsident Steinbrück reagierte gestern nicht auf die Angriffe Platzecks. Auch SPD-Fraktion und Landespartei in NRW versuchten, den Konflikt schweigsam herunterzuspielen.

In den letzten Tagen hatte sich Steinbrück wiederholt für eine stärkere Förderung der Problemregion Ruhrgebiet ausgesprochen. Die Lage im nördlichen Ruhrgebiet sei vergleichbar mit Regionen im Osten Deutschlands, sagte Steinbrück etwa bei der jüngsten Klausurtagung des Bundeskabinetts in Bonn. NRW als wirtschaftlich stärkstes Bundesland werde darauf achten, dass sich hier die „innerdeutsche Balance“ nicht zu seinen Lasten verschlechtere, so Steinbrück. „Das hat mit Populismus nichts zu tun.“

Zuvor hatte Steinbrück in Zeitungsinterviews davor gewarnt, „die Stimmung im Westen zu unterschätzen“. Die Steuerzahler in Nordrhein-Westfalen hätten viele Milliarden Euro in den Osten gepumpt, so der Ministerpräsident. Heute hätten viele Städte im Westen Schulden, die sie ohne die Transferleistungen in die neuen Länder nicht hätten. „Von 700 Millionen Euro Schulden, die zum Beispiel Duisburg hat, sind zwei Drittel Solidarbeitrag“, wurde Steinbrück zitiert, „dabei hat Duisburg soziale Brennpunkte, die sind genauso heftig wie in Leipzig.“

Platzecks Ärger über den West-Kollegen teilen andere Ost-Sozialdemokraten eher nicht. Der sächsische SPD-Spitzenkandidat Thomas Jurk steht ebenfalls eine Woche vor Landtagswahlen, macht sich die Steinbrück-Schelte aber nicht zu eigen. „Wir sehen das alles ziemlich gelassen“, sagt Jurk. „Aus ostdeutscher Sicht kann man Platzeck verstehen, die westdeutsche Sicht Steinbrücks ist auch nachvollziehbar“, so Jurk zur taz. Unterschiedliche Verantwortlichkeiten ergäben verschiedene Perspektiven.

Auch bei der SPD-regierten Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern hat niemand die Absicht, eine geistige Mauer zu bauen. Eine Regierungssprecherin: „Ministerpräsident Ringstorff ist nicht im Haus und kann sich dazu nicht äußern.“