Trauriger Blick

Traumtänzer dezimiert: Moritz Rinkes „Optimisten“, die jetzt in Hamburg Premiere haben, sind es gar nicht

Moritz Rinke (37) war schon vieles: Deutschlands neuer Stern am Dramatikerhimmel, Poet des Kanzlers, „Kleiner Prinz“ des deutschen Theaters. Morgen hat sein neues Stück „Die Optimisten“ in Hamburg Premiere.

taz: Der Titel verheißt Zuversicht, aber die Handlung ihres neuen Stücks entpuppt sich schnell als wenig optimistisch.

Moritz Rinke: Es geht um eine Gruppe deutscher Bildungsreisender, die in einem Hotel in Nepal sitzt und sich bemüßigt fühlt, eine Petition für die Bauern in Indien zu verfassen. Die wollen sie auf einer Globalisierungskonferenz in Bombay überreichen. Plötzlich merken sie, dass ihr Hotel von nepalesischen Maoisten umstellt ist. Während die Gruppe noch versucht, die Probleme indischer Reisbauern zu lösen, findet 30 Meter hinter der Hotelterrasse ein ähnlicher Konflikt statt, von dem keiner von ihnen eine Ahnung hat.

Eine ähnliche Erfahrung haben Sie auch selbst gemacht.

Ja, ich war 1991 als Student im Kaukasus zum Helikopterskifahren. Wir flogen mit einem Aeroflot-Hubschrauber über die georgische Grenze, wo die Bodentruppen von Präsident Schewardnadse gegen die Russen kämpften. Unser Hubschrauber wurde angeschossen, der Pilot bekam Panik, setzte unsere Reisegruppe im Hochgebirge ab und flog weg. Nach dem ersten Schweigen kamen schüchterne Fragen: „Gehört Schewardnadse nicht zu den Russen?“ oder „Warum haben uns die Männer gestern Abend an der Bar mit Messern bedroht?“

„Wenn die Deutschen Bildungsurlaub nehmen, dann wird’s echt hart“, heißt es in Ihrem Stück. Stimmt das?

Es ist eine Ignoranz, zu glauben, wir könnten überall hinfahren und mit unserem deutschen Selbstverständnis hier und dort ein bisschen an der Welt herumfummeln. Auch ich bin übrigens schon mit einem „Theaterbus“ durch Gaza gefahren – um den „Konflikt zu lösen“!

Im Stück prallen zwei Generationen aufeinander: Der Alt-68er Kraus, der es sich im Bildungsministerium bequem gemacht hat, und Jungfilmer Nick, der mit den Utopien von früher nichts mehr anfangen kann. Wer steht Ihnen näher?

Eigentlich beide gleich nah. Letztlich wollen sie ja dasselbe – sich in den revolutionären Prozess der Veränderung einbringen. Unsere 68er haben sich auf diesem Feld betätigt und ihr so genanntes Scheitern umgewandelt in beruflichen Erfolg. Das wird von den Jungen mit Argwohn betrachtet. Andererseits ist vieles, was Nick als neue Idee verkauft, schon gedacht worden. Er präsentiert es nur mit einem neuen Vokabular.

„Muss man die Welt lässiger anklagen? Verführerischer, erotischer?“, fragt Nick. Was denken Sie?

Eine Moral im Sinne des alten schönen Wortes funktioniert wohl nicht mehr. Für das Zeigenwollen, die Wut, die Beobachtung wird oft eine Art Geschmeidigkeit gewählt, unter der man seine Werte transportiert. Vielleicht tue ich das auch.

Haben Sie dafür nicht auch Kritik einstecken müssen?

Ja, sicher. Es wird bei meinen Stücken immer die Frage gestellt: Was schreibt er jetzt eigentlich? Ist das eine Komödie, eine Tragödie oder eine Groteske? Ich sage dann immer: Es ist ein Stück.

Sie haben gesagt, Ihr Ton sei jetzt härter geworden.

Bei den „Optimisten“ ist der Blick trauriger, weil keiner heil rauskommt. Es gibt nicht mehr so viel Traumtänzerfiguren wie in meinen früheren Stücken. Das wird aber wieder anders.

Wohin geht denn Ihre nächste Reise?

Eigentlich würde ich am liebsten hier bleiben.

Interview: Carolin Ströbele

Premiere: 12.9., 20 Uhr, Thalia in der Gaußstraße, Hamburg