Kuh und Karajan

Den Züchtern sei Dank: Zum Zweck der Viehversteigerung baute Oldenburg vor 50 Jahren eine große Halle, die auch kulturellen Aufschwung brachte

aus OldenburgHenning Bleyl

„Wir sind auf der Karte ganz oben links, drumrum Grün und dann kommt schon das Wasser.“ Jan Wartemann, der Chef der Oldenburger Weser-Ems-Halle, verfügt über eine realistische Selbsteinschätzung. Und über Ideen, wie man ein großes Messe- und Veranstaltungszentrum trotz flughafenfreier Lage füllen kann.

Während sich benachbarte Bremer Stadthalle einen umstrittenen Erweiterungsumbau auf 14.300 Plätze aufgehalst hat, um mit Preussag-Arena in Hannover und der Hamburger Colorline mithalten zu können, hat Wartemann regionalere Potentiale in den Blick genommen. Zum Beispiel die 100.000 organisierten Kegler des Umlandes – für sie hat er die hochfrequentierte „Kegelparty“ eingerichtet. Mit solchen Geschäftsideen schaffte Wartemann vergangenes Jahr 689.000 BesucherInnen in die Halle, die morgen mit einem großen Familienfest ihren fünfzigsten Geburtstag feiert.

1954 war die Stimmung anders: In Oldenburg, das Flüchtlingsströme beherbergte, gab es eine breite Front gegen die „Halle des sozialen Verbrechens“. „Tagungen können im Freien abgehalten werden, Menschen können nicht im Freien übernachten“, hieß es in Leserbriefen. Stadtdirektor Jan Eilers konnte den Bau nur durch allerlei Tricks durchsetzen. Noch bei der Grundsteinlegung sprach der spätere niedersächsischen Finanzminister von Gesamtkosten in Höhe von 680.000 Mark. Daraus wurden 4,15 Millionen.

Die Viehzuchtverbände hatten ihren Willen bekommen und wenn man den offenen Hallenboden nach den Auktionen mit Brettern auslegte, konnten dort ganz passabel Konzerte und Boxkämpfe stattfinden. Bubi Scholz und Karajan jedenfalls ließen sich durch die Stallgerüche nicht abschrecken.

Die Weser-Ems-Halle profitierte von ihrer Monopolstellung im Nordwesten, Bremens Stadthalle etwa wurde erst 1963 gebaut. Dann allerdings kamen Armstrong, Oscar Peterson und Ella Fitzgerald seltener. Mittlerweile hat sich die Halle, die eigens neben dem Sitz der „Oldenburger Schweinezuchtgesellschaft“ angesiedelt worden war, auch von ihren landwirtschaftlichen Wurzeln entfernt. Nutzvieh („die scheißen uns nur die Hallen voll“) ist auf zwei Messen beschränkt. Dafür erfreut sich die Heimtiermesse „Mein Tier“ wachsender Beliebtheit, dicht gefolgt von der wellnessorientierten „female“.

Auch die Hallen-Anekdoten haben ihren ländlichen Charakter verloren. Statt vom niedersächsischen Landesvater, der seinerzeit zehn Flaschen Schnaps gegen die rechtzeitige Fertigstellung wettete, wird heutzutage von Heinos Gattin erzählt, die über den Gabelstapler stolperte. Aus der „Ostpreußen-Halle“ wurde die Halle Ost, der Innenhof per Überdachung eine Halle für 12.000 (stehende) Menschen. Nebenan wächst derzeit eine ufoförmige Sportarena mit 3.100 Plätzen. Wie geht es weiter? „Die Leute suchen nach wie vor das authentische Erlebnis“, hofft Wartemann. Zumindest werden sie kegeln wollen.