Kaffeeindustrie verpflichtet sich selbst

Tchibo, Nestlé und Co zeigen schlechtes Gewissen und unterzeichnen deshalb einen Verhaltenskodex: Demnach sollen die Plantagenarbeiter besser behandelt und die Umwelt geschont werden. Transfair kritisiert „Furcht“ vor klaren Preisgarantien

VON MATTHIAS URBACH

Die Kaffeewirtschaft stellte gestern einen Verhaltenskodex vor. Er soll nachhaltigen Anbau, Verarbeitung und Handel von Kaffee fördern und langfristig helfen, das Leben der Kaffeebauern zu verbessern. Denn den weltweit 25 Millionen Bauern geht es schlecht wie nie, da die Weltmarktpreise seit Jahren im Keller sind: 2003 erreichte der Preis gar ein Jahrhunderttief.

Der „Common Code for the Coffee Community“ beinhaltet soziale, ökologische und wirtschaftliche Standards. So ist etwa Kinderarbeit ausgeschlossen, Plantagenarbeiter sollen sich gewerkschaftlich organisieren dürfen und kleine Kaffeebauern Zugang zu Marktinformationen erhalten, um nicht „über den Tisch gezogen zu werden“, wie der Projektmanager Carsten Schmitz-Hoffmann von der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) erläutert.

Das Projekt entstand aus einer Zusammenarbeit der im Auftrag der Bundesregierung handelnden GTZ mit den Kaffeekonzernen Sara Lee, Kraft Foods und der Hamburger Neumann Kaffee Gruppe (NKG). Unterstützt wird es von der Bundesregierung und dem Deutschen Kaffeeverband. Die Kriterien haben Gewerkschaften und Verbände wie Oxfam mit erarbeitet.

Inzwischen haben sich rund vier Fünftel der Kaffeeindustrie und vier Fünftel der Anbauer verpflichtet, den Kodex einzuhalten: darunter die „big five“ der Anbauländer, Brasilien, Mexiko, Vietnam, Kolumbien und Indonesien. Auch die beiden großen Grünkaffeehändler NKG und die Schweizer Volcafe, die 80 Prozent des Kaffees weiterverkaufen, gehören dazu. Von den mächtigen fünf Kaffeerösterkonzernen sind Nestlé, Sara Lee, Kraft Foods und Tchibo dabei. Allein Procter & Gamble fehlt. Schmitz-Hoffmann hofft, den US-Konzern über ein Pilotprojekt in Zentralamerika noch gewinnen zu können.

Die Mehrkosten durch den Kodex sind Schmitz-Hoffmann zufolge gering, da auch Wissen über effektivere Anbaumethoden verbreitet werde. Zudem werde den Bauern „ein Preisaufschlag garantiert – die Höhe wird jeweils ausgehandelt“.

Erzielten die Kaffeeexporteure Anfang der Neunziger noch 10 bis 12 Milliarden Dollar, sind es jetzt nur noch halb so viel. Währenddessen haben sich die Verkaufserlöse für Röstkaffee auf 70 Milliarden Dollar verdoppelt. Vor allem in Kolumbien geben viele Bauern auf, weil die Weltmarktpreise teils unter den Produktionskosten liegen.

Dieter Overath, Geschäftsführer von Transfair, kritisierte deshalb die „vielen offenen Fragen“, die der Kodex enthalte. Zwar sei es „begrüßenswert, dass sich die Industrie mal zusammengesetzt hat, um über das Schicksal ihrer Lieferanten zu reden“. Doch enthalte der Kodex „viel zu dünne Formulierungen“. Es gebe keine ausreichenden Preisgarantien für nachhaltig angebauten Kaffee. Und es fehle eine klare Selbstverpflichtung, davon so viel Kaffee wie möglich aufzukaufen. „Sie scheuen jede Preiskomponente wie der Teufel das Weihwasser.“ Die Kinderarbeit zu verbieten sei richtig, „doch warum passiert das?“, fragt Overath: „Weil die Produzenten zu wenig Geld kriegen.“

Anders als die GTZ geht Transfair den Weg des „Fairen Handels“. Derzeit liegt der Garantiepreis für zertifizierte Kaffeekooperativen doppelt so hoch wie der Weltmarktpreis. Der Faire Handel, betont GTZ-Manager Schmitz-Hoffmann, sei nur ein Nischenmarkt. „Wir wollen die 97 Prozent Mainstream erreichen.“

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