Abschied vom „Fließbandbetrieb“

Zwei frühere Sozialarbeiter wollen mit einem eigenen Unternehmen „Trostwerk“ Möglichkeiten der individuellen Begräbnisfeier aufzeigen. Bis auf den Friedhofszwang der Bestattung ist alles möglich, sagen sie

„Wir konfrontieren die Leute nicht ungebeten mit schwarzen Anzügen“

von Peter Ahrens

Das Ritual steht fest: Herbst, Friedhofskapelle, der Pfarrer hält eine Rede, alles in schwarz, danach Trauerzug zum Grab, kurze Ansprache, Versenken des Sargs. Nächste Beerdigung. Nichts steht fest. Claus Sasse und Christian Hillermann wollten „diesen Fließbandbetrieb“ nicht mehr akzeptieren. Die zwei Hamburger haben diese Rituale erlebt und mitbekommen, wie geschäftsmäßig der Tod abgewickelt wird. Das muss auch anders gehen, haben sie gedacht und ihr eigenes Unternehmen gegründet. „Trostwerk“ nennt es sich, und der Untertitel „Andere Bestattungen“ gibt die Richtung an.

Vor zwei Jahren haben sie versucht, den „Abschiedsprozess“ für eine gestorbene Bekannte selbst zu organisieren und zu gestalten: „Es war das absolute Grauen, auf welche Mauer der Ablehnung wir dabei gestoßen sind“, erinnert sich Hillermann. Doch letztlich habe man alle Wünsche nach einer individuellen Trauerfeier erfüllen können, und das hat beiden deutlich gemacht, „wie wenig im Grunde in diesem Bereich reglementiert und festgeklopft ist“. Nur: Die meisten Trauernden wissen das nicht und wollen sich im größten Schock um den Verlust damit auch nicht unbedingt auseinander setzen, und so laufen die meisten Begräbnisse stets nach dem bekannten Muster ab. „Es ist merkwürdig: Feiern wie die Silberhochzeit werden monatelang geplant. Aber so etwas Einschneidendes wie der Tod wird als starre Zeremonie abgehandelt“, sagt Hillermann.

Trostwerk will stattdessen „eine beruhigende, lebensfreundliche und aufbauende Atmosphäre bereiten“, sagen die zwei Unternehmensgründer, die jahrelang in der Sozialarbeit beschäftigt waren und daraus auch ihre Erfahrungen in das Bestattungsgewerbe einbringen wollen. Eine Begräbnisfeier muss nicht auf dem Friedhof stattfinden, sondern kann auch dort sein, wo der Tote seinen Lebensmittelpunkt hatte: In seiner Wohnung, vielleicht an seiner Arbeitsstätte. Der Gestorbene muss nicht direkt nach seinem Tod aus der Wohnung geschafft werden, sondern kann dort bleiben, bis sich die Angehörigen von ihm so verabschiedet haben, wie sie es wollen. Ein Sarg muss nicht schwarz und schmucklos sein, die Trauergemeinschaft nicht willkürlich zusammengeschweißt.

Wenn es gewünscht wird, organisieren Sasse und Hillermann mehrere Abschiedsfeiern für die FreundInnen, für die Familie, für KollegInnen. Wenn die Trauernden es wollen, reden die beiden mit ihnen, trinken mit ihnen Kaffee, basteln Dekorationen für die Abschiedsfeier. Ein Abschiedsraum steht im Büro im Hamburger Schanzenviertel zur Verfügung, „wir konfrontieren die Leute nicht ungebeten mit schwarzen Anzügen, wir begegnen ihnen als Mitmacher, nicht als uniforme Experten“, ist der formulierte Anspruch.

Die Hamburger arbeiten dabei nicht nur mit einem traditionellen Hamburger Bestattungsunternehmen, sondern auch mit der Bremer Kulturwissenschaftlerin Cordula Caspari zusammen. Die Bremerin, zugleich als freie Bestatterin tätig, hält am Mittwoch zur Eröffnung des Büros einen Vortrag über die Möglichkeiten, „die Zeit zwischen Sterben und Beisetzung selbst zu gestalten“.

Vieles lässt sich, so Sasse und Hillermann, verändern: Die Musik, die Zeit der Abschiedsfeier – warum nicht abends oder am Wochenende – , die Stimmung, doch an einem kann nicht gerüttelt werden: Der gesetzliche Ortszwang verpflichtet nach wie vor, Sarg oder Urne auf einem Friedhof umzusetzen. Versuche, die Menschen im Wald oder im eigenen Garten zu bestatten, stoßen auf die Ablehnung der Bürokratie. Doch davon abgesehen muss nichts Routine sein.

Trostwerk, Weidenallee 21 in Hamburg. ☎ 040/43 27 44 11. Eröffnung Mittwochabend 19 Uhr mit Vortrag der Bremerin Cordula Caspari.