Tiefe Furchen

Werder Bremen entscheidet das Nordderby gegen den VfL Wolfsburg mit 5:3 für sich und findet sich überraschend an der Tabellenspitze wieder

aus Bremen OKE GÖTTLICH

Nach dem letzten Spiel gegen den 1. FC Köln soll es Beobachter gegeben haben, denen vier Tore für Werder Bremen angesichts der Dominanz über den Gegner längst nicht genug erschienen. „Sieben oder acht“, spottete es durch den Blätterwald, hätten es schon sein dürfen. Angespornt von derartigem Größenwahn betraten die Werder-Kicker gegen Wolfsburg den Rasen. Nimmt man die fünf Treffer nach dem 5:3-Erfolg gegen Wolfsburg und addiert sie mit dem 4:1 aus dem Köln-Spiel, dürften selbst die größten Fantasten nun ruhig gestellt sein.

Bereits vor Beginn der Begegnung zwischen den beiden führenden Fußballvertretern aus dem Norden ahnte Wolfsburgs Kapitän Stefan Schnoor ein größeres Unheil voraus. Werder sei besser als Leverkusen, malte er schwarz und wusste, dass die Sorgenfalten auf seines Trainers hoher Stirn mehr als nur zwei Furchen in sein wohlgebräuntes Gesicht graben. Denn vorausahnend sorgte sich Jürgen Röber nicht allein um die beiden gefeierten Werder-Stars Johan Micoud und Ailton, sondern legte die Haut ob der konstanten wie effizienten Mittelfeldgarde um Frank Baumann, Krisztan Lisztes und den gerade in die Nationalelf berufenen Fabian Ernst vorab in faltige Wellentäler.

Bereits nach 21 Minuten schienen sich alle Ahnungen zu bestätigen. Zwei Vorlagen von Ernst und zwei Treffer von Ailton (2./21.) zerknautschten schon einige Gesichter auf Wolfsburger Seite. Paul Stalteri stellte nach dem Anschlusstreffer der Wolfsburger (Biliskov, 40.) noch vor der Pause den alten Abstand zum 3:1 (41.) wieder her. In der zweiten Halbzeit war das Wolfsburger Team – trotz des zwischenzeitlichen 3:2-Anschlusstreffers (54., Albert Streit) – nach dem 4:2 (57., Micoud) und 5:2 (58., Klasnic) nicht mal mehr durch den kosmetischen Eingriff von Karhan zum 5:3 (65.) zu retten.

Kein Wunder, dass Teamchef Rudi Völler angesichts des Bremer Partyfußballs auch für mehr Ernst bei denen, die den Adler tragen, plädiert. Mit den zwei Vorlagen aus dem Spiel gegen Wolfsburg brachte es Fabian Ernst immerhin auf nun fünf Scorer-Punkte aus den letzten zwei Spielen. Zusätzlich fallen mit Torsten Frings und Jens Jeremies zwei Stammspieler für diese Position aus. Fabian Ernst lediglich als Nutznießer dieser misslichen Personalsituation zu betrachten, wäre zu kurz gegriffen: „Ich denke, dass es die erste Berücksichtigung ist, die in erster Linie aufgrund meiner Leistungen zustande kommt und nicht durch Verletzungspech anderer“, so Ernst selbstbewusst.

Vor einigen Monaten war der Nachfolger des aus Bremen nach Dortmund gewechselten Torsten Frings hinsichtlich einer Nominierung für die Nationalmannschaft weniger keck. „Neben dem Torhüterposten ist meine Position am besten besetzt. Eine Chance hätte ich höchstens, wenn wir Meister und UEFA-Cup-Sieger würden.“ Auch ohne die Pokale steht Ernst nun in der Nationalmannschaft. Die Vereinsoberen von der Weser hoffen derweil, dass Fabian Ernst nun den ersten Teil seiner irrtümlichen Prophezeiung miterfüllen kann.