Drehkreuz und Unterschlupf

Träume, Hoffnungen, Fluchten und die Sehnsucht nach einem schöneren Leben: Das Metropolis-Kino widmet den großen Hafenstädten dieser Welt eine umfangreiche, bis kommenden Januar laufende Filmreihe

Hafenstädte sind nicht nur ihrer Lage oder ihrer besonderen Architektur wegen ideale Schauplätze für Filme, sondern auch weil sich Geschichten, die von Träumen und Hoffnungen erzählen, dort viel intensiver verdichten lassen als an den meisten anderen Orten. So siedelte etwa der in Nantes aufgewachsene Jacques Demy Filme wie Les parapluies de Cherbourg oder Les demoiselles de Rochefort ganz bewusst an solchen Stätten der Sehnsucht nach einem anderen, schöneren Leben an.

Die sich bis in den Januar des nächsten Jahres hinein erstreckende Reihe im Metropolis konzentriert sich auf bestimmte Städte, die in jeweils zwei bis drei Filmen auf meist sehr unterschiedliche Weise vorkommen. Für Hamburg wurde dabei nicht auf den Klassiker Große Freiheit Nr. 7 zurückgegriffen, sondern zunächst auf die Hamburgrolle (1906-1948) mit ihren historischen Filmaufnahmen sowie auf einen neueren und einen ganz alten Film.

In Sebastian Schippers Absolute Giganten (1999) ist Hamburg als Tor zur Welt eingesetzt, als eine Stadt, in der jemand wie Frank Giering als einer von drei jugendlichen Freunden zwar gern aufgewachsen ist – von wo er nun aber endlich wegwill, und das unbedingt mit einem Schiff. Mit einem Matrosen will die Ballhaus Else in Werner Hochbaums 1932 gedrehten Razzia in St. Pauli verschwinden, und damit von der Prostitution loskommen. Interessant zu sehen, wie der Kiez damals aussah, beziehungsweise wie er in Szene gesetzt wurde mit der „Kongo-Bar“ als Treffpunkt von Hamburgs Unterwelt.

Wie Hafenstädte auch selbst zu Fluchtpunkten werden können, zeigt eindrucksvoll Ulrike Ottinger in ihrem viereinhalbstündigen Dokumentarfilm Exil Shanghai anhand von sechs Lebensläufen deutscher, österreichischer und russischer Juden, die dort Unterschlupf vor der Nazi-Diktatur fanden. Das heutige Schanghai ist präsent in Lou Yes selbstreflexivem Suzhou River, dessen Held gegen Bezahlung zunächst vor allem Hochzeiten und Geburtstagsfeiern filmt, bis er einer mysteriösen Tänzerin begegnet, die in einem Nachtclub als schwimmende Meerjungfrau auftritt.

Klar, dass Venedig in so einer Reihe als Schauplatz nicht fehlen darf, welches freilich durch die Brille von Thomas Manns Gustav Aschenbach in Luchino Viscontis Tod in Venedig eine ganz andere Gestalt hat als etwa für Julie Christie und Donald Sutherland in Nicolas Roegs Horrorfilm Wenn die Gondeln Trauer tragen. Was Michelangelo Antonioni in und um Ravenna herum anders haben wollte als es war, dass ließ er 1963 für Rote Wüste kurzerhand entsprechend anmalen. Für den selten zu sehenden Les hommes du port begab sich Alain Tanner 1995 – 40 Jahre nach seinem letzten Aufenthalt dort – nach Genua, der Hafenstadt seiner Jugend. Eckhard Haschen

„Absolute Giganten“, 7.10., 19 Uhr, 8. + 10.10, jeweils 17 Uhr. Kurzfilmprogramm „Hamburgrolle“, 9.10, 19 Uhr, 14.10, 17 Uhr, Metropolis, die Reihe wird fortgesetzt, das Programm unter www.metropolis.de