speichenbruch
: Jan Ullrich beendet das Pokerspiel und fährt künftig wieder für die Telekom

Die Rückkehr ins Kinderzimmer

Manchmal sind die Dinge nur eine Sache der Perspektive. Die Perspektive von Jan Ullrich ist auf dessen Homepage nachzulesen und geht so: „Für mich ist es ein Wechsel zu T-Mobile, keine Rückkehr zur Telekom.“ Damit ist endgültig zweierlei geklärt: Der Ex-Merdinger hat den Vertragspoker um seine Person endlich beendet und pedaliert künftig wieder für die Bonner Fernmelder – und er weiß selbst ganz genau, dass er damit die sportlich schlechteste Entscheidung getroffen hat. Warum sonst sollte er sich dagegen wehren, dass sein Wechsel als das dargestellt wird, was er de facto ist: die Rückkehr ins Kinderzimmer? Dort hat man ihm denn auch schon ein warmes Bettchen gerichtet – die 2,5 Millionen Euro Jahressalär, die Ullrich in den nächsten drei Jahren kassieren soll, sind jedenfalls ein weiches Ruhekissen.

Denn das ist das eigentliche Signal, das von der Rückkehr zu Telekoms ausgeht: Um seine sportliche Entwicklung und Zukunft schert sich Ullrich einen feuchten Dreck, wenn man ihm nur den Hals so richtig voll stopft. Tankwarte also aufgepasst, wenn nächtens demnächst wieder ein sommerbesprosster Pauspack auf dem Rad vorbeikommt und Schokoriegel hortet – könnte tatsächlich der Einmal-und-nie-wieder-Tour-de-France-Sieger aus Deutschland sein. Aufgemerkt auch ihr Disco-Besitzer: Immer schön ein paar bunte Pillchen in Reserve behalten, so lockt man ab sofort wieder Sportprominenz in seinen Schuppen – ist wirklich ganz einfach; und er fragt auch ganz sicher nicht nach, was er da einschmeißt. Hat er ja noch nie gemacht.

Aber auch die Kollegen seien gewarnt: Bloß nie wieder vom neuen Ullrich dichten, vom gewandelten, geläuterten, erwachsen gewordenen, der alles dafür tut, doch noch mal sportlich Erfolg zu haben. Ist nämlich ausgemachter Blödsinn (auf den man leider selbst reingefallen ist). Stattdessen böte sich die nette Geschichte an, wie der als Tour-Heroe Verkannte sich um jene kümmert, die sich zuvor um ihn gekümmert haben, in Zeiten, als es ihm nicht so gut ging, also vor einem Jahr. Womit man beim Leidtragenden der Geschichte angekommen ist, bei Rudy Pevenage. Der Belgier hatte damals, als Telekom Ullrich eben wegen der Schokoriegel und der ganzen Pillen schmählich von dannen gejagt hatte, so ziemlich als einziger zu ihm gehalten, ihm zurück in den Sattel geholfen – und dabei sogar auf seine eigene, sichere Anstellung bei den Telekoms gepfiffen. Nun steht Pevenage mehr oder weniger auf der Straße, ein Zurück zu Telekom gibt es für ihn jedenfalls nicht. Und dass er das Angebot Ullrichs annimmt, als dessen Privatbetreuer zu fungieren, scheint unwahrscheinlich. Pevenage dürfte klug genug sein, um zu wissen, dass bei Ullrich endgültig Hopfen und Malz verloren ist. FRANK KETTERER