vorlauf
: Über die Runden gekommen

„Legenden: Max Schmeling“, 21.45 Uhr, ARD

Jüngst gratulierte ihm diese Zeitung zum 98. Geburtstag, und das war auch gut so, denn der Faustkämpfer, dem die Glückwünsche galten, ist selbst in unseren doch sehr auf gute Vergangenheiten achtenden Kreisen fast heilig: Max Schmeling.

Michael Wulfes hat über ihn nun ein Porträt gedreht, die ARD sendet es zu Recht unter dem Rubrum „Legenden“: Tief in den Archivschätzen hat der Autor gewühlt – und lässt zugleich Zeitzeugen zu Wort kommen: Margot Hielscher, Hans-Joachim Rauschenbach, Harry Valérien, Boxexperten aus den USA, die Tochter von Joe Louis, gegen den Schmeling 1937 gewann und deshalb im Nazideutschland ein Held wurde, ohne dass der gebürtige Uckermärker etwas dagegen hätte tun können.

Skizziert wird das Leben eines Mannes, der ohne bildungsbürgerliche Meriten den Aufstieg in die Boheme der Weimarer Republik schaffte, der Bertolt Brecht, Marlene Dietrich und Ernst Lubitsch begeisterte, ohne deshalb an Wertschätzung beim proletarischen Nachwuchs einzubüßen. Schmeling lavierte sich durch das Dritte Reich, ohne zum Denunzianten zu werden – selbst in die Goebbels-Propaganda von der Überlegenheit der weißen Rasse ließ er sich nicht einspannen.

Kenntlich wird ein Mann, der gerne wohlhabend wurde, der das schöne Leben schätzte und doch kein Schnösel war. Gern hätte man mehr erfahren über sein Leben im Wirtschaftswunderdeutschland – wie er es wieder schaffte, auferstanden aus Ruinen quasi, als Held akzeptiert zu werden, schließlich war die sonstig lebende Vätergeneration ja fast vollständig diskreditiert.

Lag es daran, dass Schmeling tatsächlich keinen Dreck am Stecken hatte – oder an seiner Aura, die so etwas wie die Anständigkeit des kleinen Mannes verströmte? Weshalb war er nie umstritten – weil er, anders als Leni Riefenstahl, nie das Lederne, das Stählerne war? Tipp zum Hingucken: Schmeling bei einer Nacktaufnahme! Kein Nazibild ist überliefert, das männliches Körperbewusstsein so sympathisch zeigt. Schmeling war einfach die beste Vaterfigur, die die Deutschen nie hatten.

JAN FEDDERSEN