Fortuna fördern und fordern

In der neuen Arena gewinnt Fortuna Düsseldorf 2:0 gegen Union Berlin. Doch die Spielstätte verlangt nach Profifußball. 38.123 Zuschauer verschärfen die Zumutbarkeitsregeln für den Drittligisten

Erwin wie ein südamerikanischer Staatspräsident

AUS DÜSSELDORFMARTIN TEIGELER

Der geplante Wahlkampfauftritt von Düsseldorfs Oberbürgermeister Joachim Erwin scheiterte an einem Pfeifkonzert. Bevor sich der CDU-Politiker am Freitag Abend als Verantwortlicher für die neue Multifunktionsarena feiern lassen konnte, machte der Unmut tausender Zuschauer jede Selbstbeweihräucherung des OB unmöglich. Weil schon die Erwähnung seines Namens durch Fortuna-Stadionsprecher Dieter Bierbaum kollektive Aggressionen weckte, verzichtete der Rathauschef auf die angeblich geplante Eröffnungsrede.

240 Millionen Euro Baukosten, die modernste und vielleicht umstrittenste Multifunktionsarena Europas – trotzdem stand bei der Vor-Eröffnung der noch nicht ganz fertig gestellten Spielstätte keineswegs der eitle Politiker, sondern die Fußball-Regionalliga Nord im Mittelpunkt. 38.123 Zuschauer feierten in der ausverkauften Großbaustelle einen 2:0-Heimerfolg des Drittligisten Fortuna Düsseldorf gegen Zweitliga-Absteiger Union Berlin. Sieben Jahre nach dem Abstieg aus der Bundesliga fand in der NRW-Landeshauptstadt mal wieder ein Fußballspiel vor einer erstklassigen Kulisse statt.

Passend zur Premiere lieferte die Fortuna ihre beste Saisonleistung ab. Nach viertelstündiger Anfangsnervosität kamen die wie immer in einer starken Defensive zentrierten Düsseldorfer über den starken rechten Außenspieler Marcel Ndjeng zu schönen Torgelegenheiten. Dem Ex-Duisburger Gustav Policella war es vergönnt, bei einer Ndjeng-Ecke per Kopfball das erste Arena-Tor zu erzielen. Nach der Pause versetzte der neue Fortuna-Spielmacher Mariano Pasini die Fans trotz „Warsteiner Fresh“-Ausschanks in kollektive Feierstimmung. Erst zirkelte der Italo-Argentinier einen Freistoß aus 20 Metern in den rechten Torwinkel – wurde dafür jedoch vom kleinlichen Schiedsrichter Gagelmann wegen fehlender Schuss-Genehmigung verwarnt. Im zweiten Versuch traf Pasini erneut, diesmal schlenzte er über die Berliner Mauer in den linken Winkel. Der Rest vom Spiel prallte an der nun doppelten Düsseldorfer Viererkette ab. Den Zuschauern gefiel es. Sie sangen: „Oh, wie ist das schön.“

„Dieses Stadion verpflichtet“, sagte Fortuna-Trainer Massimo Morales nach dem Spiel. Alles andere als ein Sieg wäre unmöglich gewesen, so der italienische Coach bei der Pressekonferenz in der bauverstaubten Zwischenebene des Stadions. Nur Gäste-Coach Frank Wormuth zweifelte den souveränen Sieg der Heimmannschaft noch an – dabei selbst von den mitreisenden Berliner Berichterstattern belächelt, die ihre Geschichte von der nahenden Ablösung des glücklosen Unions-Trainers bereits in die Laptops tippten. Im unfertigen Arena-Ambiente ließ der listige Morales keinen Zweifel daran, dass er mit seiner Elf mittelfristig immer in dem Edelstadion spielen will. Dunkler Anzug, coole Marcello-Lippi-Mimik, wirre Giovanni-Trapatoni-Gestik – anders als sein Team passt der Ex-Bayern-Jugendtrainer Massimo Morales schon jetzt ohne Abstriche zum schicken Profi-Heimspielort der Fortuna.

Arena-Format nimmt auch Düsseldorfs Manager Thomas Berthold für sich in Anspruch. Der international vernetzte Sportchef hat das Team der Rot-Weißen zu Saisonbeginn fast komplett ausgetauscht – um so schnell wie möglich Bundesliga-Fußball in die Arena zu bringen. Am Freitag lachte der Weltmeister von 1990 zum ersten Mal seit dem durchwachsenen Saisonstart. Ganz kurz grinste Berthold nach dem 2:0 vergnügt, um dann wieder ernst zu mahnen: „Das war heute wichtig, aber nur ein kleiner Schritt.“ Nun müsse die Mannschaft weiter gewinnen und den Anschluss an die Tabellenspitze schaffen. Fördern und fordern – Fortuna Düsseldorf muss Fußball spielen nach dem Hartz-IV-Prinzip. Der langzeitprofifußballlose Verein hat mit der neuen Arena wieder eine Perspektive. Aber Verantwortliche und Spieler sehen sich auch schärferen Zumutbarkeitsregeln ausgesetzt. Beim herunter gekommenen Traditionsclub ist man gezwungen, sich in den nächsten zwei bis drei Jahren auf dem ersten Fußball-Arbeitsmarkt zu integrieren. Sonst droht der Fortuna bald wieder ein Leben von Stütze – in der Oberliga Nordrhein.

Auch die 38.123 Premieren-Besucher – viele von ihnen Opfer des heillosen Verkehrschaos rund um die Arena – werden nur dann wiederkommen, wenn die Fortuna in absehbarer Zeit gegen Hertha BSC Berlin spielt, statt gegen Union. Joachim Erwin scheint damit fest zu rechnen. Nach Spielende feierte Düsseldorfs Oberbürgermeister – dessen Habitus und Modegeschmack immer mehr an südamerikanische Staatspräsidenten erinnert – ausgelassen im VIP-Bereich sein neues Stadion.