montags: forum! (3)
: Hartz IV: Sind Sie wirklich nicht betroffen?

Montags streitet der Norden über die Sozialreform: Gruppen unterschiedlicher Couleur gehen gegen Hartz IV auf die Straße - heute voraussichtlich in Barnstorf, Braunschweig, Bremen, Bremerhaven, Bremervörde, Delmenhorst, Emden, Flensburg, Göttingen, Goslar, Hamburg, Hameln, Heide, Höxter, Itzehoe, Kiel, Lübeck, Minden, Oldenburg, Osnabrück, Parchim, Peine, Perleberg, Salzwedel, Wedel, Wernigerode und Wilhelmshaven. Aber eine Demo ist kein guter Platz fürs Argumentieren. Den stellt die taz nord bereit: In der Serie Montags: Forum! beziehen Experten und Engagierte Stellung zum Um- oder Abbruch des Sozialstaats

Guten Tag, heute ist Montag und heute abend ist Demo-Zeit, auch in ihrer Stadt. Gehen Sie hin? Nein, Sie sind nicht davon betroffen.

Zuerst einmal einen Glückwunsch, denn Sie gehören dann zu dem immer kleiner werden Kreis von nicht-prekär Beschäftigten. Was das heißt? Sie haben einen sicheren Arbeitsplatz. Nicht befristet, unkündbar, die Branche, in der Sie arbeiten, ist krisensicher. Und vor allem, Ihre Bezahlung ist ausreichend für Sie selbst und ihre Lebensgemeinschaft.

Na ja, Reformen sind dringend nötig, wie müssen in Zeiten der Globalisierung den Engel gürter schnallen. Das ist nun einmal so. Ja, natürlich sind Reformen notwendig, denn so, wie es derzeit um soziale Gerechtigkeit in Deutschland und Europa bestellt ist, werden Spannungen nur zunehmen. Die internationalen Konzerne zahlen für ihre regionalen Niederlassungen kaum bis keine Steuern mehr, die Spitzensteuersätze werden regelmäßig gesenkt – ab dem 1. Januar 2005, zurr Einführung von Alg II, wiederum von 45 Prozent auf 42 Prozent. Mit der Umsatzsteuer wird Schindluder getrieben, dass dem Staat mindestens hunderte Millionen von Einnahmen verloren gehen, alles zusammen die „fehlenden“ Beträge, derentwegen der Sozialstaat jetzt „verschlankt“ werden muss, um überlebensfähig zu bleiben.

Das ist ja nur ein Teil der Probleme, denn Arbeit ist in Deutschland viel zu teuer geworden. Die Unternehmen stellen dann wieder Arbeitskräfte ein, wenn die Nebenkosten niedriger werden und Arbeit insgesamt billiger wird. In Deutschland wurden 2003 von allen Vollzeitbeschäftigten durchschnittlich 2,7 Überstunden wöchentlich geleistet. Bei Teilzeitbeschäftigten liegt die durchschnittliche Zahl von Überstunden bei knapp unter zwei Stunden. Das wären bei einer sehr konservativen Rechnung mit einer 38-Stunden-Woche zusammen fast zwei Millionen Arbeitsplätze, die schon jetzt in den Unternehmen vorhanden sind (Quelle: ISPO Studie, Köln 2004). Mit Arbeitszeitkonten, die unterschiedlich lange Ansparzeiten der Überstunden regeln, ist der Überstundenberg entstanden. Also, der Mehrbedarf an Arbeit ist da, die Unternehmerverbände wollen die Arbeit nicht verteilen, Betriebsräte und Gewerkschaften machen dabei mit. Last but not least die Beschäftigten selbst, die mit den Arbeitszeitkonten ihre Arbeitsplätze sicherer machen wollen. Aber sie dürfen sich nicht wundern, wenn Arbeitgeber jetzt verlangen „Wir wollen die tarifliche 40-Stunden-Woche zurück“ – wenn schon seit längerer Zeit in ihren Unternehmen mehr gearbeitet wird.

Schauen Sie sich unter diesen Bedingungen Ihre eigenen Verhältnisse noch einmal genauer an. Vielleicht ist doch nicht alles so sicher, wie Sie das so sehen.

Wie gesagt: Heute abend ist Demo-Zeit. Würde mich freuen, Sie heute abend dort zu treffen.