Die Zappa-Frikadelle

Brillant geschmacklos, haarsträubend lustig, sexistisch und plump, genial idiotisch: Ist so das Musikfest Bremen? Nein. Trotzdem schmückt es sich mit der Marke „Zappa“. Entzückend tückisch zelebriert von Kristjan Järvi

Absolute Zappa®“ nennt sich das Programm von Kristjan Järvis Absolute Ensemble. Das hochgestellte und eingekreiste „R“ soll andeuten, dass fürs 15. Bremer Musikfest Rechte an einem geschützten Markenzeichen erworben wurden: An Zappa, Francis Vincent.

Das Label „Zappa“ steht für leidenschaftlich arroganten Eklektizismus. Brillant geschmacklos, haarsträubend lustig, sexistisch und plump, genial idiotisch, unbezähmbar ironisch. Der 1993 verstorbene Zappa war mit seinem genresprengenden Vaudeville ein wahrer Avantgardist, der schon Jahre vor seiner Zeit eine Musik kreierte, die auch später kein Massenpublikum hören wollte.

All das, was Zappa war, ist das Musikfest nicht. Weswegen man sich gern mit dem Zappa-Image schmückt, um auch ein wenig flippiger zu wirken. Wobei: Zappa hat Musik-Comedy für Erwachsene komponiert, arrangiert und gespielt. Das Musikfest einmal aus dieser Perspektive zu betrachten, eröffnet ganz hübsche Perspektiven auf diese Art Festivalunterhaltungskultur: nicht gebündelt an einem Ort den Vergleich und Austausch von exklusiven Kunstereignissen zu ermöglichen, sondern einen Monat lang mit räumlich versprengten, inhaltlich nicht aufeinander bezogenen „Highlights“ aufzuwarten.

Beispielsweise mit dem Zappa-Programm im Pier 2. Eine repräsentativer Mix der 60er bis 90er Jahre-Werke des Freak-Altmeisters. Das Material bleibt relativ unangetastet, radikal erneuert werden aber die Oberflächenstruktur, das Arrangement, und die Basis, das Rhythmus-Design. Der Rest bleibt ein unverdauter Klops: eine Zappa-Frikadelle, die mit frischer Panade auch jenseits ihres Haltbarkeitsdatums noch köstlich mundet.

Das „Absolut Ensemble“ tritt auf wie eine kammersinfonische Jazzrock-Big-Band. Labyrinthische Melodien, die von den phänomenal präzisen und spielfreudig lockeren Musikanten in rasendem Tempo durcheilt werden, um in kakophonischen Eruptionen zu münden. Zurück zum gestrengen Satzgefüge mit plötzlichen Forcierungen, unerwarteten Haltepunkten, abrupten Klangfarbenwechseln. Alles grundiert mit einem ausgeklügelten Synkopen-System und metrischen Fallgruben. Von Järvi feingliedrig geordnet durch Electro-Grooves, von Gene Pritsker lustig gewürzt mit hiphoppender Publikumsanimation.

Entzückend tückisch. Virtuos gemeistert. Und von Napoleon Murphy Brock (schauspielerisch gestützter Gesang) und Mike Keneally (zu Gitarrensoli verarbeitete Zappa-Licks und -Manierismen) authentisiert. Beide waren Mitglieder von Zappas Tour-Bands.

Bei aller Perfektion, die auch die improvisatorischen Einschübe und spontanen Dialoge einschließt, fehlt den notierten Passagen doch der freche Irrsinn des Originals. Aller ausgetüftelten Dynamik zum Trotz: Absolute Zappa geht nicht ohne energischen Eigensinn. Trotzdem natürlich ein Ereignis, bei einem Musikfest-Konzert aufstehen, eine rauchen und dazwischenrufen zu dürfen, ohne vom Publikum niedergezischelt, von Ordnern entsorgt zu werden.

Jens Fischer