Israel greift Syrien an

Nach dem Attentat von Haifa beschießt die Luftwaffe ein Lager zur Ausbildung palästinensischer Kämpfer nahe Damaskus

aus Jerusalem SUSANNE KNAUL

Zum ersten Mal seit über 20 Jahren haben israelische Kampfflieger wieder ein Ziel auf syrischem Gebiet angegriffen. Das beschossene Lager Ain Sahel, etwa 15 Kilometer nordöstlich von Damaskus, diente der Ausbildung palästinensischer Kämpfer und stand angeblich unter dem Kommando des Islamischen Dschihad. Die israelische Regierung reagierte mit dem Luftangriff am Sonntagmorgen auf den Terroranschlag in Haifa vom Vortag, bei dem 20 Menschen starben.

Der Islamische Dschihad hatte die Verantwortung für den Anschlag auf ein von Juden und Arabern gemeinsam geführtes Restaurant in der Hafenstadt übernommen. Dass die 29-jährige Attentäterin Hanadi Taissir Dscharadat aus Dschenin ausgerechnet einen Ort, der seit 40 Jahren Symbol für friedliche Koexistenz ist, in die Luft sprengte, mag taktische Gründe haben. So konnte sie sich trotz des am Eingang des Restaurants postierten Wachmanns Zugang verschaffen, ohne dabei Aufmerksamkeit zu erregen. Unter den Opfern sind fünf Mitglieder der Familie Zer-Aviv, darunter zwei Kleinkinder. Die Familie aus einem Kibbuz wollte mit dem Restaurantbesuch einen Einkaufsbummel abschließen. „Es war die Hölle“, beschrieb eine leicht verletzte ältere Frau die Szene. „Eben noch sitzen die Menschen ahnungslos und genießen ihre Mahlzeit. Sekunden später sind sie tot.“

Der Islamische Dschihad nannte das Attentat einen Vergeltungsakt für jüngste israelische Exekutionen führender Aktivisten. In einem anderen Bekennerschreiben war von Vergeltung für den Bau der Mauer gegen die Palästinenser die Rede. Motiv für die Attentäterin – der zweiten Frau, die im Namen des Dschihad ein Selbstmordattentat begeht – ist der Tod ihres Bruders und ihres Cousins. Beide starben bei einer Operation von als Arabern verkleideten israelischen Elitesoldaten im Juni.

Aus Sorge, dass die israelische Regierung nun den Entschluss einer „Neutralisierung“ des Palästinenserpräsidenten umsetzen werde, versammelten sich noch in der Nacht zum Sonntag zahlreiche ausländische und israelische Friedensaktivisten vor dem Amtssitz Jassir Arafats in Ramallah. Offenbar steht eine Exilierung des Palästinenserführeres indes nicht unmittelbar bevor. Die Alternative, Angriffe auf Ziele in Syrien, ist in Jerusalem wohl schon vor zwei Wochen erwogen worden.

Der Angriff, dem der syrische Verteidigungsapparat machtlos zusehen musste, kann nicht unbeantwortet bleiben. Dass das auf militärischem Weg geschehen wird, ist indes derzeit kaum zu erwarten. Die syrisch-israelische Grenze gilt als die sicherste des Judenstaates. Seit über 30 Jahres kam es hier nicht mehr zu nennenswerten Zwischenfällen. Syrien setzte Israel stattdessen mit Hilfe der Hisbullah, der Partei Gottes, im Südlibanon unter Druck. Die Kämpfer, die vor allem durch Angriffe mit Katjuscha-Raketen die Bevölkerung im Norden des Landes terrorisieren, werden indirekt aus Damaskus unterstützt.

Die Hisbullah führt derzeit Verhandlungen mit Israel über einen Gefangenenaustausch. Den schiitischen Freischärlern geht es dabei zuallererst um Scheich Obeid und Mustafa Dirani, zwei führende Aktivisten der Organisation, die Israel seit gut zehn Jahren in Gewahrsam hält. Im Gegenzug hofft Jerusalem auf die Auslieferung des vor drei Jahren von der Hisbullah entführten israelischen Geschäftsmanns Elchanan Tennenboim. Laut Berichten sollen die Verhandlungen, die auch infolge bundesdeutscher Vermittlungen ermöglicht wurden, kurz vor dem Abschluss stehen.

Damaskus bleibt deshalb nur der diplomatische Weg. Präsident Baschir al-Assad wird versuchen, vor dem UNO-Sicherheitsrat eine Verurteilung der Luftangriffe durchzusetzen. Problematisch ist hier wiederum, dass Assad sich erst im vergangenen Mai gegenüber US-Außenminister Colin Powell dazu verpflichtet hatte, alle in Damaskus operierenden Büros der palästinensischen Widerstandsgruppen schließen zu lassen, was offiziell auch passierte. Dass nur 15 Kilometer von Damaskus entfernt Palästinenser im Widerstandskampf und also auch im Bombenbau ausgebildet werden, entspricht wohl kaum den Vorstellungen Washingtons.