Globale Verliererinnen

Internationale Konferenz: Formal sollen die Frauen gleichberechtigt sein – vor Ort tut sich fast nichts

BERLIN taz ■ Die Gleichberechtigung der Frau sei nichts als eine „Phrase“, beschwerte sich ein Korrespondent. Die internationale Frauenbewegung könne „Kreise ziehen, die unsere inneren Wirrnisse bedenklich vermehren“. Der Berichterstatter der Neuen Preußischen Zeitung echauffierte sich über den „Weltbund für Frauenstimmrecht“, der 1904 in der Reichshauptstadt gegründet worden war. Für den Deutschen Frauenrat war dies hundert Jahre später Anlass, Frauen aus rund 40 Nationen zur internationalen Konferenz „Geschlecht und Demokratie“ nach Berlin einzuladen.

Die Vorsitzende des Deutschen Frauenrates, Inge von Bönninghausen, erinnerte nicht nur an den offensichtlich selbst verwirrten preußischen Reporter, sondern auch an Hedwig Dohm, die hellsichtigste der deutschen Frauenrechtlerinnen. Schon 1876 hatte diese den Kernsatz formuliert: „Die Menschenrechte haben kein Geschlecht.“ Es sollte 117 Jahre dauern, bis der Satz allgemein akzeptiert wurde. „Menschenrechte sind Frauenrechte“, hieß es 1993 bei der Wiener UN-Menschenrechtskonferenz und 1995 bei der Pekinger UN-Frauenkonferenz. Dort verpflichteten sich alle UN-Mitgliedstaaten, Frauen gleichzustellen und ihre Ministerien einem „Gender Mainstreaming“ zu unterziehen. Mit Peking habe die internationale Frauenpolitik ihren „Höhepunkt“ erreicht, konstatierte die Chefin des Frauenrats. Nun gelte es, das Erreichte gegen die zunehmenden Angriffe von Fundamentalisten aller Art zu verteidigen und die klaffende Lücke zwischen den Deklarationen und ihrer Umsetzung zu schließen.

Aber wie? Das war die zentrale Frage der Konferenz. „Wieso hält die menschliche Gesellschaft ihre Verpflichtung zur Umsetzung nicht ein?“, fragte auch Gertrude Mongella, damals Generalsekretärin der UN-Frauenkonferenz, heute Präsidentin des Panafrikanischen Parlaments. Und beantwortete ihre Frage teilweise selbst, indem sie ein lebensnahes Beispiel für die Umsetzungsschwierigkeiten in armen Länder nannte. Sie stamme von einer Insel im tansanischen Viktoriasee, auf der es keinen Strom gebe. „Die Leute sagen: Du kannst die Aktionsplattform von Peking auf deinen Computer herunterladen. Wie sollen die Frauen das ohne Strom hinkriegen?“

Auch Kerstin Müller, grüne Staatsministerin im Auswärtigen Amt, gab zu, dass die Frauen zu den „Verliererinnen der Globalisierung“ gehören könnten. Während die Führungspositionen unverändert in Männerhänden seien, sei die weltweite Mehrheit der Armen weiblich. In Regionen wie im sudanesischen Darfur werde die Massenvergewaltigung von Frauen als Kriegswaffe eingesetzt, in den Flüchtlingslagern laste alle Verantwortung für das Überleben der Familie auf den Frauen. Für sie sei das ein wichtiger Grund, der sudanesischen Regierung „deutlich“ ihre Meinung zu sagen.

Auch innerhalb der erweiterten EU scheint der Fortschritt gestoppt. Lydia la Rivière-Zijdel, Präsidentin der rund 4.000 Frauenorganisationen umfassenden „European Women’s Lobby“, verwies darauf, dass der Prozentsatz von weiblichen Abgeordneten im EU-Parlament zum ersten Mal in seiner Geschichte stagniere. Dennoch wollte sie von ihrer Überzeugung nicht lassen, dass die EU viele positive Impulse gesetzt habe. Vor allem in Ländern, in denen die nationalen Regierungen wenig Interesse an Gleichstellung zeigten. Aber, so musste sie zugeben: Auch in Brüssel klaffe eine Lücke zwischen der Gesetzgebung und ihrer Umsetzung. UTE SCHEUB