Protest gegen Blindengeld-Streichung

Niedersächsische CDU-Sozialministerin will Blindengeld komplett streichen. Nur die Bedürftigen sollen noch Unterstützung bekommen. Das würde 21 Millionen Euro jährlich sparen. 10.000 Blinde und Sehbehinderte demonstrierten in Hannover

AUS HANNOVER JÜRGEN VOGES

10.000 Blinde und schwerst Sehbehinderte demonstrierten am Samstag in Hannover – so viele wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik. Pünktlich um fünf vor zwölf startete das Pfeifkonzert. Mit ihrem Protestmarsch reagierten sie auf Pläne, in Niedersachsen das Landesblindengeld zu streichen. Die Demonstranten waren aus dem ganzen Bundesgebiet angereist – viele bildeten Ketten, um sich von einem Betreuer durch die fremde Stadt führen zu lassen.

Niedersachsen ist bislang das einzige Bundesland, das das einkommensunabhängige Blindengeld vollständig streichen will. Ab 2005 sollen nur noch die Bedürftigen unter den 11.400 niedersächsischen Blinden unterstützt werden; eigenes Einkommen und Vermögen wird angerechnet. 21 Millionen Euro will die CDU-Landessozialministerin Ursula von der Leyen bei den Blinden sparen.

Wie auch andere Bundesländer hat Niedersachsen das Blindengeld bereits mehrfach gekürzt; ursprünglich hatte es bei über 500 Euro gelegen. Wie die Sozialverbände berechnet haben, müssen Blinde aufgrund ihrer Behinderung im Monat durchschnittlich 585 Euro mehr aufwenden – etwa für spezielle Haushaltsgeräte, vermehrte Taxifahrten, Begleitpersonen oder auch einen speziellen teuren Computer. In Niedersachsen beträgt das Landesblindengeld nach drei Kürzungen schon jetzt nur noch 409 Euro. Bei der dritten Kürzung hatte die Landesregierung dem Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband versprochen, dass dies die letzte sei. Umso empörter sind die Blinden jetzt über die komplette Streichung; sie fürchten zudem, dass Niedersachsen zum Vorbild für andere Bundesländer werden könnte.

Auf der Abschlusskundgebung sprach auch der niedersächsische Behindertenbeauftragte Karl Finke, der selbst blind ist und seine Diensträume ausgerechnet im Landessozialministerium hat. Er wies darauf hin, dass Blinde – im Gegensatz zu anderen Behinderten – keine Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten würden. Bei dieser Regelung sei davon ausgegangen worden, dass bundesweit ein Landesblindengeld gezahlt würde. Es ist für Finke daher auch eine Frage der Gleichberechtigung, dass Blinde einen Nachteilsausgleich bekommen, der unabhängig von der Sozialhilfe ist. Die Behinderten hätten längst erkannt, „dass wir für unsere Lebenssituation kämpfen müssen“, betonte Finke auf der Kundgebung.