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Harscher Umgang mit Flüchtlingen

betr.: „Das Trauma Ausländerbehörde“, taz vom 2. 10. 03

Ihren traurigen Beispielen für den Umgang mit psychotraumatisierten Menschen in Berlin könnten wir zahlreiche weitere folgen lassen. Seit langem beobachten wir den oft harschen Umgang von Behörden und Gerichten mit dieser Flüchtlingsgruppe mit großer Sorge. Obwohl, wie Sie berichten, mit Beschluss der Innenministerkonferenz vom 8. 11. 2000 eine eigens zum Schutz dieser Gruppierung entworfene Weisung ergangen ist, leben viele der Flüchtlinge auch nach unserer Beobachtung weiterhin in großer Angst und Unsicherheit über ihren weiteren Verbleib in Deutschland.

Dabei wird von Behörden und Gerichten oftmals übersehen, dass es sich bei psychotraumatischen Belastungsreaktionen um Störungen von erheblichem Krankheitswert handelt, deren Schwere zu einem hohen Leidensdruck und diversen Beeinträchtigungen im Alltagsleben führt. Uns bekannte traumatisierte Flüchtlinge sind den mit einer Rückführung verbundenen Anforderungen, wie sie der Aufbau einer neuen Existenz erfordert, physisch und psychisch auf Jahre hinaus nicht gewachsen. Ihre Symptome können zudem in ihrer Heimat in der Regel nicht behandelt werden. Ein gesicherter Aufenthaltsstatus, wie ihn die Weisung eigentlich seit nunmehr zweieinhalb Jahren vorsieht, ist außerdem die Voraussetzung für eine erfolgreiche psychotherapeutische Aufarbeitung der Traumata.

Die derzeitige Unsicherheit und Angst wirken erneut traumatisierend, da bei den Flüchtlingen alleine die Vorstellung einer zwangsweisen Rückführung zu einer Reaktualisierung der dortigen Erlebnisse und einer deutlichen Verschlechterung ihres labilen Gesundheitszustandes führt. Die vom Senat finanzierten, meist langwierigen Psychotherapien greifen vor allem dann immer wieder ins Leere, wenn psychische Folgen aufenthaltsrechtlicher Unsicherheiten zum zentralen Bestandteil der Behandlungsbemühungen werden. So lässt sich dann oft kaum mehr therapieren als der vom Senat selbst geschaffene Behandlungsbedarf.

ULRIKE MICHELS-VERMEULEN, DOROTHEE HILLENBRAND,Deutscher Psychotherapeutenverband, Landesvorstand Berlin

Was in Berlins Ausländerbehörde passiert, ist Alltag in Deutschland, erregt allerdings nur in Großstädten manchmal Aufsehen, weil dort die „Abschiebe-Fallzahlen“ höher sind als in der Provinz. Verantwortlich dafür sind die Politiker aller Parteien, die zum einen die Rechtsgrundlage für die rücksichtslosen Abschiebungen von Menschen geschaffen haben und die die Behörden mit dem Hinweis auf den Rechtsstaat Deutschland, in dem jeder sein Recht einklagen kann, gewähren lassen. Nebenbei wird versucht, die Betroffenen zu kriminalisieren, neben Asylbetrug zur Einschränkung des Asylrechts hat sich längst auch der Vorwurf des Sozialbetrugs als wirksames politisches Argument zur Durchsetztung ungerechten Sozialabbaus bewährt. FRIDA TRESCH, Ambilly

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